Grimms Märchen
Grimm’s Märchen, ursprünglich von Jacob und Wilhelm Grimm zusammengestellt, sind eine Sammlung zeitloser Volkserzählungen, die Leser seit Jahrhunderten verzaubern. Diese Geschichten sind ein Schatz an Folklore, der Geschichten von Mut, Magie und Moral bietet, die über Generationen hinweg Resonanz finden. Von Klassikern wie „Aschenputtel“, „Schneewittchen“ und „Hänsel und Gretel“ bis hin zu weniger bekannten Juwelen wie „Der Fischer und seine Frau“ und „Rumpelstilzchen“ bietet jede Geschichte einen Einblick in das reiche Gewebe der europäischen mündlichen Tradition. Die Märchen der Grimms zeichnen sich durch ihre lebhaften Charaktere, moralischen Lehren und oft dunklen Untertöne aus, die die harten Realitäten und fantastischen Elemente ihrer historischen Kontexte widerspiegeln. Ihre anhaltende Anziehungskraft liegt in ihrer Fähigkeit, zu unterhalten, zu lehren und Staunen zu inspirieren, was sie zu einem Grundpfeiler der Kinderliteratur und einer Quelle der Faszination für Folkloristen und Geschichtenerzähler gleichermaßen macht.
Episodes
Monday Aug 12, 2024
Monday Aug 12, 2024
Es war einmal ein großer Krieg, und als der Krieg zu Ende war, bekamen viele Soldaten ihren Abschied. Nun bekam der Bruder Lustig auch seinen Abschied und sonst nichts als ein kleines Laibchen Kommißbrot und vier Kreuzer an Geld; damit zog er fort. Der heilige Petrus aber hatte sich als ein armer Bettler an den Weg gesetzt, und wie der Bruder Lustig daherkam, bat er ihn um ein Almosen. Er antwortete: "Lieber Bettelmann, was soll ich dir geben? Ich bin Soldat gewesen und habe meinen Abschied bekommen, und habe sonst nichts als das kleine Kommißbrot und vier Kreuzer Geld, wenn das all ist, muß ich betteln, so gut wie du. Doch geben will ich dir was." Darauf teilte er den Laib in vier Teile und gab davon dem Apostel einen und auch einen Kreuzer. Der heilige Petrus bedankte sich, ging weiter und setzte sich in einer andern Gestalt wieder als Bettelmann dem Soldaten an den Weg, und als er zu ihm kam, bat er ihn, wie das vorigemal, um eine Gabe. Der Bruder Lustig sprach wie vorher und gab ihm wieder ein Viertel von dem Brot und einen Kreuzer. Der heilige Petrus bedankte sich und ging weiter, setzte sich aber zum drittenmal in einer andern Gestalt als ein Bettler an den Weg und sprach den Bruder Lustig an. Der Bruder Lustig gab ihm auch das dritte Viertel Brot und den dritten Kreuzer. Der heilige Petrus bedankte sich, und der Bruder Lustig ging weiter und hatte nicht mehr als ein Viertel Brot und einen Kreuzer. Damit ging er in ein Wirtshaus, aß das Brot und ließ sich für den Kreuzer Bier dazu geben. Als er fertig war, zog er weiter, und da ging ihm der heilige Petrus gleichfalls in der Gestalt eines verabschiedeten Soldaten entgegen und redete ihn an: "Guten Tag, Kamerad, kannst du mir nicht ein Stück Brot geben und einen Kreuzer zu einem Trunk?" "Wo soll ichs hernehmen," antwortete der Bruder Lustig, "ich habe meinen Abschied und sonst nichts als einen Laib Kommißbrot und vier Kreuzer an Geld bekommen. Drei Bettler sind mir auf der Landstraße begegnet, davon hab ich jedem ein Viertel von meinem Brot und einen Kreuzer Geld gegeben. Das letzte Viertel habe ich im Wirtshaus gegessen und für den letzten Kreuzer dazu getrunken. Jetzt bin ich leer, und wenn du auch nichts mehr hast, so können wir miteinander betteln gehen." "Nein," antwortete der heilige Petrus, "das wird just nicht nötig sein: ich verstehe mich ein wenig auf die Doktorei, und damit will ich mir schon so viel verdienen, als ich brauche." "Ja," sagte der Bruder Lustig, "davon verstehe ich nichts, also muß ich allein betteln gehen." "Nun komm nur mit," sprach der heilige Petrus, "wenn ich was verdiene, sollst du die Hälfte davon haben." "Das ist mir wohl recht," sagte der Bruder Lustig. Also zogen sie miteinander fort.
Nun kamen sie an ein Bauernhaus und hörten darin gewaltig jammern und schreien, da gingen sie hinein, so lag der Mann darin auf den Tod krank und war nah am Verscheiden, und die Frau heulte und weinte ganz laut. "Laßt Euer Heulen und Weinen," sprach der heilige Petrus, "ich will den Mann wieder gesund machen," nahm eine Salbe aus der Tasche und heilte den Kranken augenblicklich, so daß er aufstehen konnte und ganz gesund war. Sprachen Mann und Frau in großer Freude: "Wie können wir Euch lohnen? Was sollen wir Euch geben?" Der heilige Petrus aber wollte nichts nehmen, und je mehr ihn die Bauersleute baten, desto mehr weigerte er sich. Der Bruder Lustig aber stieß den heiligen Petrus an und sagte: "So nimm doch was, wir brauchens ja." Endlich brachte die Bäuerin ein Lamm und sprach zu dem heiligen Petrus, das müßte er annehmen, aber er wollte es nicht. Da stieß ihn der Bruder Lustig in die Seite und sprach: "Nimms doch, dummer Teufel, wir brauchens ja." Da sagte der heilige Petrus endlich: "Ja, das Lamm will ich nehmen, aber ich trags nicht: wenn dus willst, so mußt du es tragen." "Das hat keine Not," sprach der Bruder Lustig, "das will ich schon tragen," und nahms auf die Schulter. Nun gingen sie fort und kamen in einen Wald, da war das Lamm dem Bruder Lustig schwer geworden, er aber war hungrig, also sprach er zu dem heiligen Petrus: "Schau, da ist ein schöner Platz, da könnten wir das Lamm kochen und verzehren." "Mir ists recht," antwortete der heilige Petrus, "doch kann ich mit der Kocherei nicht umgehen: willst du kochen, so hast du da einen Kessel, ich will derweil auf- und abgehen, bis es gar ist. Du mußt aber nicht eher zu essen anfangen, als bis ich wieder zurück bin; ich will schon zu rechter Zeit kommen." "Geh nur," sagte Bruder Lustig, "ich verstehe mich aufs Kochen, ich wills schon machen." Da ging der heilige Petrus fort, und der Bruder Lustig schlachtete das Lamm, machte Feuer an, warf das Fleisch in den Kessel und kochte. Das Lamm war aber schon gar und der Apostel immer noch nicht zurück, da nahm es der Bruder Lustig aus dem Kessel, zerschnitt es und fand das Herz.
"Das soll das Beste sein," sprach er und versuchte es, zuletzt aber aß er es ganz auf. Endlich kam der heilige Petrus zurück und sprach: "Du kannst das ganze Lamm allein essen, ich will nur das Herz davon, das gib mir." Da nahm Bruder Lustig Messer und Gabel, tat, als suchte er eifrig in dem Lammfleisch herum, konnte aber das Herz nicht finden; endlich sagte er kurzweg: "Es ist keins da." "Nun, wo solls denn sein?, sagte der Apostel. "Das weiß ich nicht," antwortete der Bruder Lustig, "aber schau, was sind wir alle beide für Narren, suchen das Herz vom Lamm, und fällt keinem von uns ein, ein Lamm hat ja kein Herz!" "Ei," sprach der heilige Petrus, "das ist was ganz Neues, jedes Tier hat ja ein Herz, warum sollt ein Lamm kein Herz haben?" "Nein, gewißlich, Bruder, ein Lamm hat kein Herz, denk nur recht nach, so wird dirs einfallen, es hat im Ernst keins." "Nun, es ist schon gut," sagte der heilige Petrus, "ist kein Herz da, so brauch ich auch nichts vom Lamm, du kannsts allein essen." "Was ich halt nicht aufessen kann, das nehm ich mit in meinem Ranzen," sprach der Bruder Lustig, aß das halbe Lamm und steckte das übrige in seinen Ranzen.
Sie gingen weiter, da machte der heilige Petrus, daß ein großes Wasser quer über den Weg floß und sie hindurch mußten. Sprach der heilige Petrus: "Geh du nur voran." "Nein," antwortete der Bruder Lustig, "geh du voran," und dachte, "wenn dem das Wasser zu tief ist, so bleib ich zurück." Da schritt der heilige Petrus hindurch, und das Wasser ging ihm nur bis ans Knie. Nun wollte Bruder Lustig auch hindurch, aber das Wasser wurde größer und stieg ihm an den Hals. Da rief er: "Bruder, hilf mir." Sagte der heilige Petrus: "Willst du auch gestehen, daß du das Herz von dem Lamm gegessen hast?" "Nein," antwortete er, "ich hab es nicht gegessen." Da ward das Wasser noch größer und stieg ihm bis an den Mund, "hilf mir, Bruder," rief der Soldat. Sprach der heilige Petrus noch einmal: "Willst du auch gestehen, daß du das Herz vom Lamm gegessen hast?" "Nein," antwortete er, "ich hab es nicht gegessen." Der heilige Petrus wollte ihn doch nicht ertrinken lassen, ließ das Wasser wieder fallen und half ihm hinüber.
Nun zogen sie weiter, und kamen in ein Reich, da hörten sie, daß die Königstochter todkrank läge. "Hallo, Bruder," sprach der Soldat zum heiligen Petrus, "da ist ein Fang für uns, wenn wir die gesund machen, so ist uns auf ewige Zeiten geholfen." Da war ihm der heilige Petrus nicht geschwind genug, "nun, heb die Beine auf, Bruderherz," sprach er zu ihm, "daß wir noch zu rechter Zeit hinkommen." Der heilige Petrus ging aber immer langsamer, wie auch der Bruder Lustig ihn trieb und schob, bis sie endlich hörten, die Königstochter wäre gestorben. "Da haben wirs," sprach der Bruder Lustig, "das kommt von deinem schläfrigen Gang." "Sei nur still," antwortete der heilige Petrus, "ich kann noch mehr als Kranke gesund machen, ich kann auch Tote wieder ins Leben erwecken." "Nun, wenn das ist," sagte der Bruder Lustig, "so laß ich mirs gefallen, das halbe Königreich mußt du uns aber zum wenigsten damit verdienen." Darauf gingen sie in das königliche Schloß, wo alles in großer Trauer war: der heilige Petrus aber sagte zu dem König, er wolle die Tochter wieder lebendig machen. Da ward er zu ihr geführt, und dann sprach er: "Bringt mir einen Kessel mit Wasser," und wie der gebracht war, hieß er jedermann hinausgehen, und nur der Bruder Lustig durfte bei ihm bleiben. Darauf schnitt er alle Glieder der Toten los und warf sie ins Wasser, machte Feuer unter den Kessel und ließ sie kochen. Und wie alles Fleisch von den Knochen herabgefallen war, nahm er das schöne weiße Gebein heraus und legte es auf eine Tafel, und reihte und legte es nach seiner natürlichen Ordnung zusammen. Als das geschehen war, trat er davor und sprach dreimal: "Im Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit, Tote, steh auf." Und beim drittenmal erhob sich die Königstochter lebendig, gesund und schön. Nun war der König darüber in großer Freude und sprach zum heiligen Petrus: "Begehre deinen Lohn, und wenns mein halbes Königreich wäre, so will ich dirs geben." Der heilige Petrus aber antwortete: "Ich verlange nichts dafür." "O, du Hans Narr!, dachte der Bruder Lustig bei sich, stieß seinen Kameraden in die Seite und sprach: "Sei doch nicht so dumm, wenn du nichts willst, so brauch ich doch was." Der heilige Petrus aber wollte nichts; doch weil der König sah, daß der andere gerne was wollte, ließ er ihm vom Schatzmeister seinen Ranzen mit Gold anfüllen.
Sie zogen darauf weiter, und wie sie in einen Wald kamen, sprach der heilige Petrus zum Bruder Lustig: "Jetzt wollen wir das Gold teilen." "Ja," antwortete er, "das wollen wir tun." Da teilte der heilige Petrus das Gold, und teilte es in drei Teile. Dachte der Bruder Lustig: "Was er wieder für einen Sparren im Kopf hat! Macht drei Teile, und unser sind zwei." Der heilige Petrus aber sprach: "Nun habe ich genau geteilt, ein Teil für mich, ein Teil für dich, und ein Teil für den, der das Herz vom Lamm gegessen hat." "O, das hab ich gegessen," antwortete der Bruder Lustig und strich geschwind das Gold ein, "das kannst du mir glauben." "Wie kann das wahr sein," sprach der heilige Petrus, "ein Lamm hat ja kein Herz." "Ei, was, Bruder, wo denkst du hin! Ein Lamm hat ja ein Herz, so gut wie jedes Tier, warum sollte das allein keins haben?, "Nun, es ist schon gut," sagte der heilige Petrus, "behalt das Gold allein, aber ich bleibe nicht mehr bei dir und will meinen Weg allein gehen." "Wie du willst, Bruderherz," antwortete der Soldat, "leb wohl.'
Da ging der heilige Petrus eine andere Straße, Bruder Lustig aber dachte: "Es ist gut, daß er abtrabt, es ist doch ein wunderlicher Heiliger." Nun hatte er zwar Geld genug, wußte aber nicht mit umzugehen, vertats, verschenkts, und wie eine Zeit herum war, hatte er wieder nichts. Da kam er in ein Land, wo er hörte, daß die Königstochter gestorben wäre. "Holla!, dachte er, "das kann gut werden, die will ich wieder lebendig machen und mirs bezahlen lassen, daß es eine Art hat." Ging also zum König und bot ihm an, die Tote wieder zu erwecken. Nun hatte der König gehört, daß ein abgedankter Soldat herumziehe und die Gestorbenen wieder lebendig mache, und dachte, der Bruder Lustig wäre dieser Mann, doch weil er kein Vertrauen zu ihm hatte, fragte er erst seine Räte, die sagten aber, er könnte es wagen, da seine Tochter doch tot wäre. Nun ließ sich der Bruder Lustig Wasser im Kessel bringen, hieß jedermann hinausgehen, schnitt die Glieder ab, warf sie ins Wasser und machte Feuer darunter, gerade wie er es beim heiligen Petrus gesehen hatte. Das Wasser fing an zu kochen, und das Fleisch fiel herab, da nahm er das Gebein heraus und tat es auf die Tafel; er wußte aber nicht, in welcher Ordnung es liegen mußte, und legte alles verkehrt durcheinander. Dann stellte er sich davor und sprach: "Im Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit, Tote, steh auf," und sprachs dreimal, aber die Gebeine rührten sich nicht. Da sprach er es noch dreimal, abergleichfalls umsonst. "Du Blitzmädel, steh auf," rief er, "steh auf, oder es geht dir nicht gut." Wie er das gesprochen, kam der heilige Petrus auf einmal in seiner vorigen Gestalt, als verabschiedeter Soldat, durchs Fenster hereingegangen und sprach: "Du gottloser Mensch, was treibst du da, wie kann die Tote auferstehen, da du ihr Gebein so untereinander geworfen hast?" "Bruderherz, ich habs gemacht, so gut ich konnte," antwortete er. "Diesmal will ich dir aus der Not helfen, aber das sag ich dir, wo du noch einmal so etwas unternimmst, so bist du unglücklich, auch darfst du von dem König nicht das Geringste dafür begehren oder annehmen." Darauf legte der heilige Petrus die Gebeine in ihre rechte Ordnung, sprach dreimal zu ihr: "Im Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit, Tote, steh auf," und die Königstochter stand auf, war gesund und schön wie vorher. Nun ging der heilige Petrus wieder durchs Fenster hinaus: der Bruder Lustig war froh, daß es so gut abgelaufen war, ärgerte sich aber doch, daß er nichts dafür nehmen sollte. "Ich möchte nur wissen," dachte er, "was der für Mucken im Kopf hat, denn was er mit der einen Hand gibt, das nimmt er mit der andern: da ist kein Verstand drin." Nun bot der König dem Bruder Lustig an, was er haben wollte, er durfte aber nichts nehmen, doch brachte er es durch Anspielung und Listigkeit dahin, daß ihm der König seinen Ranzen mit Gold füllen ließ, und damit zog er ab. Als er hinauskam, stand vor dem Tor der heilige Petrus und sprach: "Schau, was du für ein Mensch bist, habe ich dir nicht verboten, etwas zu nehmen, und nun hast du den Ranzen doch voll Gold." "Was kann ich dafür," antwortete Bruder Lustig, "wenn mirs hineingesteckt wird." "Das sag ich dir, daß du nicht zum zweitenmal solche Dinge unternimmst, sonst soll es dir schlimm ergehen." "Ei, Bruder, sorg doch nicht, jetzt hab ich Gold, was soll ich mich da mit dem Knochenwaschen abgeben." "Ja," sprach der heilige Petrus, "das Gold wird lang dauern! Damit du aber hernach nicht wieder auf unerlaubten Wegen gehst, so will ich deinem Ranzen die Kraft geben, daß alles, was du dir hineinwünschest, auch darin sein soll. Leb wohl, du siehst mich nun nicht wieder." "Gott befohlen," sprach der Bruder Lustig und dachte: "Ich bin froh, daß du fortgehst, du wunderlicher Kauz, ich will dir wohl nicht nachgehen." An die Wunderkraft aber, die seinem Ranzen verliehen war, dachte er nicht weiter.
Bruder Lustig zog mit seinem Gold umher, und vertats und verfumfeits wie das erstemal. Als er nun nichts mehr als vier Kreuzer hatte, kam er an einem Wirtshaus vorbei und dachte: "Das Geld muß fort," und ließ sich für drei Kreuzer Wein und einen Kreuzer Brot geben. Wie er da saß und trank, kam ihm der Geruch von gebratenen Gänsen in die Nase. Bruder Lustig schaute und guckte, und sah, daß der Wirt zwei Gänse in der Ofenröhre stehen hatte. Da fiel ihm ein, daß ihm sein Kamerad gesagt hatte, was er sich in seinen Ranzen wünschte, das sollte darin sein. "Holla, das mußt du mit den Gänsen versuchen!" Also ging er hinaus, und vor der Türe sprach er: "So wünsch ich die zwei gebratenen Gänse aus der Ofenröhre in meinen Ranzen." Wie er das gesagt hatte, schnallte er ihn auf und schaute hinein, da lagen sie beide darin. "Ach, so ists recht," sprach er, "nun bin ich ein gemachter Kerl," ging fort auf eine Wiese und holte den Braten hervor. Wie er so im besten Essen war, kamen zwei Handwerksburschen daher und sahen die eine Gans, die noch nicht angerührt war, mit hungrigen Augen an. Dachte der Bruder Lustig: "Mit einer hast du genug," rief die zwei Burschen herbei und sprach: "Da nehmt die Gans und verzehrt sie auf meine Gesundheit." Sie bedankten sich, gingen damit ins Wirtshaus, ließen sich eine Halbe Wein und ein Brot geben, packten die geschenkte Gans aus und fingen an zu essen. Die Wirtin sah zu und sprach zu ihrem Mann: "Die zwei essen eine Gans, sieh doch nach, obs nicht eine von unsern aus der Ofenröhre ist." Der Wirt lief hin, da war die Ofenröhre leer. "Was, ihr Diebsgesindel, so wohlfeil wollt ihr Gänse essen! Gleich bezahlt, oder ich will euch mit grünem Haselsaft waschen." Die zwei sprachen: "Wir sind keine Diebe, ein abgedankter Soldat hat uns die Gans draußen auf der Wiese geschenkt." "Ihr sollt mir keine Nase drehen, der Soldat ist hier gewesen, aber als ein ehrlicher Kerl zur Tür hinaus gegangen, auf den hab ich acht gehabt: ihr seid die Diebe und sollt bezahlen." Da sie aber nicht bezahlen konnten, nahm er den Stock und prügelte sie zur Türe hinaus.
Bruder Lustig ging seiner Wege und kam an einen Ort, da stand ein prächtiges Schloß und nicht weit davon ein schlechtes Wirtshaus. Er ging in das Wirtshaus und bat um ein Nachtlager, aber der Wirt wies ihn ab und sprach: "Es ist kein Platz mehr da, das Haus ist voll vornehmer Gäste." "Das nimmt mich wunder," sprach der Bruder Lustig, "daß sie zu Euch kommen und nicht in das prächtige Schloß gehen." "Ja," antwortete der Wirt, "es hat was an sich, dort eine Nacht zu liegen, wers noch versucht hat, ist nicht lebendig wieder herausgekommen." "Wenns andere versucht haben," sagte der Bruder Lustig, "will ichs auch versuchen." "Das laßt nur bleiben," sprach der Wirt, "es geht Euch an den Hals." "Es wird nicht gleich an den Hals gehen," sagte der Bruder Lustig, "gebt mir nur die Schlüssel und brav Essen und Trinken mit." Nun gab ihm der Wirt die Schlüssel und Essen und Trinken, und damit ging der Bruder Lustig ins Schloß, ließ sichs gut schmecken, und als er endlich schläfrig wurde, legte er sich auf die Erde, denn es war kein Bett da. Er schlief auch bald ein, in der Nacht aber wurde er von einem großen Lärm aufgeweckt, und wie er sich ermunterte, sah er neun häßliche Teufel in dem Zimmer, die hatten einen Kreis um ihn gemacht und tanzten um ihn herum. Sprach der Bruder Lustig: "Nun tanzt, solang ihr wollt, aber komm mir keiner zu nah." Die Teufel aber drangen immer näher auf ihn ein und traten ihm mit ihren garstigen Füßen fast ins Gesicht. "Habt Ruh, ihr Teufelsgespenster," sprach er, aber sie triebens immer ärger. Da ward der Bruder Lustig bös und rief: "Holla, ich will bald Ruhe stiften!" kriegte ein Stuhlbein und schlug mitten hinein. Aber neun Teufel gegen einen Soldaten war doch zuviel, und wenn er auf den vordern zuschlug, so packten ihn die andern hinten bei den Haaren und rissen ihn erbärmlich. "Teufelspack," rief er, "jetzt wird mirs zu arg: wartet aber! Alle neune in meinen Ranzen hinein!" Husch, steckten sie darin, und nun schnallte er ihn zu und warf ihn in eine Ecke. Da wars auf einmal still, und Bruder Lustig legte sich wieder hin und schlief bis an den hellen Morgen. Nun kamen der Wirt und der Edelmann, dem das Schloß gehörte, und wollten sehen, wie es ihm ergangen wäre; als sie ihn gesund und munter erblickten, erstaunten sie und fragten: "Haben Euch denn die Geister nichts getan?" "Warum nicht gar," antwortete Bruder Lustig, "ich habe sie alle neune in meinem Ranzen. Ihr könnt Euer Schloß wieder ganz ruhig bewohnen, es wird von nun an keiner mehr darin umgehen!" Da dankte ihm der Edelmann, beschenkte ihn reichlich und bat ihn, in seinen Diensten zu bleiben, er wollte ihn auf sein Lebtag versorgen. "Nein," antwortete er, "ich bin an das Herumwandern gewöhnt, ich will weiterziehen." Da ging der Bruder Lustig fort, trat in eine Schmiede und legte den Ranzen, worin die neun Teufel waren, auf den Amboß, und bat den Schmied und seine Gesellen zuzuschlagen. Die schlugen mit ihren großen Hämmern aus allen Kräften zu, daß die Teufel ein erbärmliches Gekreisch erhoben. Wie er danach den Ranzen aufmachte, waren achte tot, einer aber, der in einer Falte gesessen hatte, war noch lebendig, schlüpfte heraus und fuhr wieder in die Hölle.
Darauf zog der Bruder Lustig noch lange in der Welt herum, und wers wüßte, könnte viel davon erzählen. Endlich aber wurde er alt und dachte an sein Ende, da ging er zu einem Einsiedler, der als ein frommer Mann bekannt war, und sprach zu ihm: "Ich bin das Wandern müde und will nun trachten, in das Himmelreich zu kommen." Der Einsiedler antwortete: "Es gibt zwei Wege, der eine ist breit und angenehm und führt zur Hölle, der andere ist eng und rauh und führt zum Himmel." "Da müßt ich ein Narr sein," dachte der Bruder Lustig, "wenn ich den engen und rauhen Weg gehen sollte." Machte sich auf und ging den breiten und angenehmen Weg, und kam endlich zu einem großen schwarzen Tor, und das war das Tor der Hölle. Bruder Lustig klopfte an, und der Torwächter guckte, wer da wäre. Wie er aber den Bruder Lustig sah, erschrak er, denn er war gerade der neunte Teufel, der mit in dem Ranzen gesteckt hatte und mit einem blauen Auge davongekommen war. Darum schob er den Riegel geschwind wieder vor, lief zum Obersten der Teufel und sprach "draußen ist ein Kerl mit einem Ranzen und will herein, aber laßt ihn beileibe nicht herein, er wünscht sonst die ganze Hölle in seinen Ranzen. Er hat mich einmal garstig darin hämmern lassen." Also ward dem Bruder Lustig hinausgerufen, er sollte wieder abgehen, er käme nicht herein. "Wenn sie mich da nicht wollen," dachte er, "will ich sehen, ob ich im Himmel ein Unterkommen finde, irgendwo muß ich doch bleiben." Kehrte also um und zog weiter, bis er vor das Himmelstor kam, wo er auch anklopfte. Der heilige Petrus saß gerade dabei als Torwächter: Der Bruder Lustig erkannte ihn gleich und dachte: "Hier findest du einen alten Freund, da wirds besser gehen." Aber der heilige Petrus sprach: "Ich glaube gar, du willst in den Himmel?" "Laß mich doch ein, Bruder, ich muß doch wo einkehren; hätten sie mich in der Hölle aufgenommen, so wär ich nicht hierher gegangen." "Nein," sagte der heilige Petrus, "du kommst nicht herein." "Nun, willst du mich nicht einlassen, so nimm auch deinen Ranzen wieder: dann will ich gar nichts von dir haben," sprach der Bruder Lustig. "So gib ihn her," sagte der heilige Petrus. Da reichte er den Ranzen durchs Gitter in den Himmel hinein, und der heilige Petrus nahm ihn und hing ihn neben seinen Sessel auf. Da sprach der Bruder Lustig: "Nun wünsch ich mich selbst in meinen Ranzen hinein." Husch, war er darin, und saß nun im Himmel, und der heilige Petrus mußte ihn darin lassen.
Diese Folge wird Ihnen von Podbean.com zur Verfügung gestellt.
Monday Aug 12, 2024
Monday Aug 12, 2024
Auf eine Zeit ging das Hühnchen mit dem Hähnchen in den Nußberg, und sie machten miteinander aus, wer einen Nußkern fände, sollte ihn mit dem andern teilen. Nun fand das Hühnchen eine große große Nuß, sagte aber nichts davon und wollte den Kern allein essen. Der Kern war aber so dick, daß es ihn nicht hinunterschlucken konnte und er ihm im Hals stecken blieb, daß ihm angst wurde, es müßte ersticken. Da schrie das Hühnchen 'Hähnchen, ich bitte dich lauf, was du kannst, und hol mir Wasser, sonst erstick ich.' Das Hähnchen lief, was es konnte, zum Brunnen und sprach 'Born, du sollst mir Wasser geben; das Hühnchen liegt auf dem Nußberg, hat einen großen Nußkern geschluckt und will ersticken.' Der Brunnen antwortete 'lauf erst hin zur Braut und laß dir rote Seide geben.' Das Hähnchen lief zur Braut 'Braut, du sollst mir rote Seide geben: rote Seide will ich dem Brunnen geben, der Brunnen soll mir Wasser geben, das Wasser will ich dem Hühnchen bringen, das liegt auf dem Nußberg, hat einen großen Nußkern geschluckt und will daran ersticken.' Die Braut antwortete 'lauf erst und hol mir mein Kränzlein, das blieb an einer Weide hängen.' Da lief das Hähnchen zur Weide und zog das Kränzlein von dem Ast und brachte es der Braut, und die Braut gab ihm rote Seide dafür, die brachte es dem Brunnen, der gab ihm Wasser dafür. Da brachte das Hähnchen das Wasser zum Hühnchen, wie es aber hinkam, war dieweil das Hühnchen erstickt, und lag da tot und regte sich nicht. Da ward das Hähnchen so traurig, daß es laut schrie, und kamen alle Tiere und beklagten das Hühnchen; und sechs Mäuse bauten einen kleinen Wagen, das Hühnchen darin zum Grabe zu fahren; und als der Wagen fertig war, spannten sie sich davor, und das Hähnchen fuhr. Auf dem Wege aber kam der Fuchs 'wo willst du hin, Hähnchen?' 'Ich will mein Hühn chen begraben.' 'Darf ich mitfahren?'
'Ja, aber setz dich hinten auf den Wagen, vorn könnens meine Pferdchen nicht vertragen.'
Da setzte sich der Fuchs hintenauf, dann der Wolf, der Bär, der Hirsch, der Löwe und alle Tiere in dem Wald. So ging die Fahrt fort, da kamen sie an einen Bach. 'Wie sollen wir nun hinüber?' sagte das Hähnchen. Da lag ein Strohhalm am Bach, der sagte 'ich will mich quer darüberlegen, so könnt ihr über mich fahren.' Wie aber die sechs Mäuse auf die Brücke kamen, rutschte der Strohhalm aus und fiel ins Wasser, und die sechs Mäuse fielen alle hinein und ertranken. Da ging die Not von neuem an, und kam eine Kohle und sagte 'ich bin groß genug, ich will mich darüberlegen, und ihr sollt über mich fahren.' Die Kohle legte sich auch an das Wasser, aber sie berührte es unglücklicherweise ein wenig, da zischte sie, verlöschte und war tot. Wie das ein Stein sah, erbarmte er sich und wollte dem Hähnchen helfen, und legte sich über das Wasser. Da zog nun das Hähnchen den Wagen selber, wie es ihn aber bald drüben hatte, und war mit dem toten Hühnchen auf dem Land und wollte die andern, die hintenauf saßen, auch heranziehen, da waren ihrer zuviel geworden, und der Wagen fiel zurück, und alles fiel miteinander in das Wasser und ertrank. Da war das Hähnchen noch allein mit dem toten Hühnchen, und grub ihm ein Grab und legte es hinein, und machte einen Hügel darüber, auf den setzte es sich und grämte sich so lang, bis es auch starb; und da war alles tot.
Diese Folge wird Ihnen von Podbean.com zur Verfügung gestellt.
Monday Aug 12, 2024
Monday Aug 12, 2024
Ein Brüderchen und ein Schwesterchen spielten an einem Brunnen, und wie sie so spielten, plumpsten sie beide hinein. Da war unten eine Wassernixe, die sprach 'jezt habe ich euch, jetzt sollt ihr mir brav arbeiten,' und führte sie mit sich fort. Dem Mädchen gab sie verwirrten garstigen Flachs zu spinnen, und es mußte Wasser in ein hohles Faß schleppen, der Junge aber sollte einen Baum mit einer stumpfen Axt hauen, und nichts zu essen bekamen sie als steinharte Klöße. Da wurden zuletzt die Kinder so ungeduldig, daß sie warteten, bis eines Sonntags die Nixe in der Kirche war, da entflohen sie. Und als die Kirche vorbei war, sah die Nixe, daß die Vögel ausgeflogen waren, und setzte ihnen mit großen Sprüngen nach. Die Kinder erblickten sie aber von weitem, und das Mädchen warf eine Bürste hinter sich, das gab einen großen Bürstenberg mit tausend und tausend Stacheln, über den die Nixe mit großer Müh klettern mußte; endlich aber kam sie doch hinüber. Wie das die Kinder sahen, warf der Knabe einen Kamm hinter sich, das gab einen großen Kammberg mit tausendmal tausend Zinken, aber die Nixe wußte sich daran festzuhalten und kam zuletzt doch drüber. Da warf das Mädchen einen Spiegel hinterwärts, welches einen Spiegelberg gab, der war so glatt, so glatt, daß sie unmöglich darüber konnte. Da dachte sie 'ich will geschwind nach Haus gehen und meine Axt holen und den Spiegelberg entzweihauen.' Bis sie aber wiederkam und das Glas aufgehauen hatte, waren die Kinder längst weit entflohen, und die Wassernixe mußte sich wieder in ihren Brunnen trollen.Diese Folge wird Ihnen von Podbean.com zur Verfügung gestellt.
Monday Aug 12, 2024
Monday Aug 12, 2024
Es war einmal ein steinalter Mann, dem waren die Augen trüb geworden, die Ohren taub, und die Knie zitterten ihm. Wenn er nun bei Tische saß und den Löffel kaum halten konnte, schüttete er Suppe auf das Tischtuch, und es floß ihm auch etwas wieder aus dem Mund. Sein Sohn und dessen Frau ekelten sich davor, und deswegen mußte sich der alte Großvater endlich hinter den Ofen in die Ecke setzen, und sie gaben ihm sein Essen in ein irdenes Schüsselchen und noch dazu nicht einmal satt; da sah er betrübt nach dem Tisch und die Augen wurden ihm naß. Einmal auch konnten seine zittrigen Hände das Schüsselchen nicht festhalten, es fiel zur Erde und zerbrach. Die junge Frau schalt, er sagte nichts und seufzte nur. Da kaufte sie ihm ein hölzernes Schüsselchen für ein paar Heller, daraus mußte er nun essen. Wie sie da so sitzen, so trägt der kleine Enkel von vier Jahren auf der Erde kleine Brettlein zusammen. "Was machst du da?" fragte der Vater. "Ich mache ein Tröglein," antwortete das Kind, "daraus sollen Vater und Mutter essen, wenn ich groß bin." Da sahen sich Mann und Frau eine Weile an Fingen endlich an zu weinen, holten alsofort den alten Großvater an den Tisch und ließen ihn von nun an immer mitessen, sagten auch nichts, wenn er ein wenig verschüttete.Diese Folge wird Ihnen von Podbean.com zur Verfügung gestellt.
Monday Aug 12, 2024
Monday Aug 12, 2024
Es war eine Köchin, die hieß Gretel, die trug Schuhe mit roten Absätzen, und wenn sie damit ausging, so drehte sie sich hin und her, war ganz fröhlich und dachte 'du bist doch ein schönes Mädel.' Und wenn sie nach Hause kam, so trank sie aus Fröhlichkeit einen Schluck Wein, und weil der Wein auch Lust zum Essen macht, so versuchte sie das Beste, was sie kochte, so lang, bis sie satt war, und sprach 'die Köchin muß wissen, wies Essen schmeckt.'
Es trug sich zu, daß der Herr einmal zu ihr sagte 'Gretel, heut abend kommt ein Gast, richte mir zwei Hühner fein wohl zu.' 'Wills schon machen, Herr,' antwortete Gretel. Nun stachs die Hühner ab, brühte sie, rupfte sie, steckte sie an den Spieß, und brachte sie, wies gegen Abend ging, zum Feuer, damit sie braten sollten. Die Hühner fingen an braun und gar zu werden, aber der Gast war noch nicht gekommen. Da rief Gretel dem Herrn 'kommt der Gast nicht, so muß ich die Hühner vom Feuer tun, ist aber Jammer und Schade, wenn sie nicht bald gegessen werden, wo sie am besten im Saft sind.' Sprach der Herr 'so will ich nur selbst laufen und den Gast holen.' Als der Herr den Rücken gekehrt hatte, legte Gretel den Spieß mit den Hühnern beiseite und dachte 'so lange da beim Feuer stehen macht schwitzen und durstig, wer weiß, wann die kommen! derweil spring ich in den Keller und tue einen Schluck.' Lief hinab, setzte einen Krug an, sprach 'Gott gesegnes dir, Gretel,' und tat einen guten Zug. 'Der Wein hängt aneinander,' sprachs weiter, 'und ist nicht gut abbrechen,' und tat noch einen ernsthaften Zug. Nun ging es und stellte die Hühner wieder übers Feuer, strich sie mit Butter und trieb den Spieß lustig herum. Weil aber der Braten so gut roch, dachte Gretel 'es könnte etwas fehlen, versucht muß er werden!' schleckte mit dem Finger und sprach 'ei, was sind die Hühner so gut! ist ja Sünd und Schand, daß man sie nicht gleich ißt!' Lief zum Fenster, ob der Herr mit dem Gast noch nicht käm, aber es sah niemand: stellte sich wieder zu den Hühnern, dachte 'der eine Flügel verbrennt, besser ists, ich eß ihn weg.' Also schnitt es ihn ab und aß ihn auf, und er schmeckte ihm, und wie es damit fertig war, dachte es 'der andere muß auch herab, sonst merkt der Herr, daß etwas fehlt.' Wie die zwei Flügel verzehrt waren, ging es wieder und schaute nach dem Herrn und sah ihn nich t. 'Wer weiß,' fiel ihm ein, 'sie kommen wohl gar nicht und sind wo eingekehrt.' Da sprachs 'hei, Gretel, sei guter Dinge, das eine ist doch angegriffen, tu noch einen frischen Trunk und iß es vollends auf, wenns all ist, hast du Ruhe: warum soll die gute Gottesgabe umkommen?' Also lief es noch einmal in den Keller, tat einen ehrbaren Trunk, und aß das eine Huhn in aller Freudigkeit auf. Wie das eine Huhn hinunter war und der Herr noch immer nicht kam, sah Gretel das andere an und sprach 'wo das eine ist, muß das andere auch sein, die zwei gehören zusammen: was dem einen recht ist, das ist dem andern billig; ich glaube, wenn ich noch einen Trunk tue, so sollte mirs nicht schaden.' Also tat es noch einen herzhaften Trunk, und ließ das zweite Huhn wieder zum andern laufen.
Wie es so im besten Essen war, kam der Herr dahergegangen und rief 'eil dich, Gretel, der Gast kommt gleich nach.' 'Ja, Herr, wills schon zurichten,' antwortete Gretel. Der Herr sah indessen, ob der Tisch wohl gedeckt war, nahm das große Messer, womit er die Hühner zerschneiden wollte, und wetzte es auf dem Gang. Indem kam der Gast, klopfte sittig und höflich an der Haustüre. Gretl lief und schaute, wer da war, und als es den Gast sah, hielt es den Finger an den Mund und sprach 'still! still! macht geschwind, daß Ihr wieder fortkommt, wenn Euch mein Herr erwischt, so seid Ihr unglücklich; er hat Euch zwar zum Nachtessen eingeladen, aber er hat nichts anders im Sinn, als Euch die beiden Ohren abzuschneiden. Hört nur, wie er das Messer dazu wetzt.' Der Gast hörte das Wetzen und eilte, was er konnte, die Stiegen wieder hinab. Gretel war nicht faul, lief schreiend zu dem Herrn und rief 'da habt Ihr einen schönen Gast eingeladen!' 'Ei, warum, Gretel? was meinst du damit?' 'Ja,' sagte es, 'der hat mir beide Hühner, die ich eben auftragen wollte, von der Schüssel genommen und ist damit fortgelaufen.' 'Das ist feine Weise!' sprach der Herr, und ward ihm leid um die schönen Hühner, 'wenn er mir dann wenigstens das eine gelassen hätte, damit mir was zu essen geblieben wäre.' Er rief ihm nach, er sollte bleiben, aber der Gast tat, als hörte er es nicht. Da lief er hinter ihm her, das Messer noch immer in der Hand, und schrie 'nur eins! nur eins!' und meinte, der Gast sollte ihm nur ein Huhn lassen und nicht alle beide nehmen: der Gast aber meinte nicht anders, als er sollte eins von seinen Ohren hergeben, und lief, als wenn Feuer unter ihm brennte, damit er sie beide heim brächte.
Diese Folge wird Ihnen von Podbean.com zur Verfügung gestellt.
Monday Aug 12, 2024
Monday Aug 12, 2024
Es war eine Königin, die hatte unser Herrgott verschlossen, daß sie keine Kinder gebar. Da ging sie alle Morgen in den Garten und bat zu Gott im Himmel, er möchte ihr einen Sohn oder eine Tochter bescheren. Da kam ein Engel vom Himmel und sprach 'gib dich zufrieden, du sollst einen Sohn haben mit wünschlichen Gedanken, denn was er sich wünscht auf der Welt, das wird er erhalten.' Sie ging zum König und sagte ihm die fröhliche Botschaft, und als die Zeit herum war, gebar sie einen Sohn, und der König war in großer Freude.
Nun ging sie alle Morgen mit dem Kind in den Tiergarten, und wusch sich da bei einem klaren Brunnen. Es geschah einstmals, als das Kind schon ein wenig älter war, daß es ihr auf dem Schoß lag und sie entschlief. Da kam der alte Koch, der wußte, daß das Kind wünschliche Gedanken hatte, und raubte es, und nahm ein Huhn und zerriß es, und tropfte ihr das Blut auf die Schürze und das Kleid. Da trug er das Kind fort an einen verborgenen Ort, wo es eine Amme tränken mußte, und lief zum König und klagte die Königin an, sie habe ihr Kind von den wilden Tieren rauben lassen. Und als der König das Blut an der Schürze sah, glaubte er es und geriet in einen solchen Zorn, daß er einen tiefen Turm bauen ließ, in den weder Sonne noch Mond schien, und ließ seine Gemahlin hineinsetzen und vermauern; da sollte sie sieben Jahre sitzen, ohne Essen und Trinken, und sollte verschmachten. Aber Gott schickte zwei Engel vom Himmel in Gestalt von weißen Tauben, die mußten täglich zweimal zu ihr fliegen und ihr das Essen bringen, bis die sieben Jahre herum waren.
Der Koch aber dachte bei sich 'hat das Kind wünschliche Gedanken und ich bin hier, so könnte es mich leicht ins Unglück stürzen.' Da machte er sich vom Schloß weg und ging zu dem Knaben, der war schon so groß, daß er sprechen konnte, und sagte zu ihm 'wünsche dir ein schönes Schloß mit einem Garten, und was dazu gehört.' Und kaum waren die Worte aus dem Munde des Knaben, so stand alles da, was er gewünscht hatte. Ober eine Zeit sprach der Koch zu ihm es ist nicht gut, daß du so allein bist, wünsche dir eine schöne Jungfrau zur Gesellschaft.' Da wünschte sie der Königssohn herbei, und sie stand gleich vor ihm, und war so schön, wie sie kein Maler malen konnte. Nun spielten die beiden zusammen und hatten sich von Herzen lieb, und der alte Koch ging auf die Jagd wie ein vornehmer Mann. Es kam ihm aber der Gedanke, der Königssohn könnte einmal wünschen, bei seinem Vater zu sein, und ihn damit in große Not bringen. Da ging er hinaus, nahm das Mädchen beiseit und sprach 'diese Nacht, wenn der Knabe schläft, so geh an sein Bett und stoß ihm das Messer ins Herz, und bring mir Herz und Zunge von ihm; und wenn du das nicht tust, so sollst du dein Leben verlieren.' Darauf ging er fort, und als er am andern Tag wiederkam, so hatte sie es nicht getan und sprach 'was soll ich ein unschuldiges Blut ums Leben bringen, das noch niemand beleidigt hat?' Sprach der Koch wieder 'wo du es nicht tust, so kostet dichs selbst dein Leben.' Als er weggegangen war, ließ sie sich eine kleine Hirschkuh herbeiholen und ließ sie schlachten, und nahm Herz und Zunge, und legte sie auf einen Teller, und als sie den Alten kommen sah, sprach sie zu dem Knaben 'leg dich ins Bett und zieh die Decke über dich.'
Da trat der Bösewicht herein und sprach 'wo ist Herz und Zunge von dem Knaben?, Das Mädchen reichte ihm den Teller, aber der Königssohn warf die Decke ab und sprach 'du alter Sünder, warum hast du mich töten wollen? nun will ich dir dein Urteil sprechen. Du sollst ein schwarzer Pudelhund werden und eine goldene Kette um den Hals haben, und sollst glühende Kohlen fressen, daß dir die Lohe zum Hals herausschlägt.' Und wie er die Worte ausgesprochen hatte, so war der Alte in einen Pudelhund verwandelt, und hatte eine goldene Kette um den Hals, und die Köche mußten lebendige Kohlen heraufbringen, die fraß er, daß ihm die Lohe aus dem Hals herausschlug. Nun blieb der Königssohn noch eine kleine Zeit da und dachte an seine Mutter, und ob sie noch am Leben wäre. Endlich sprach er zu dem Mädchen 'ich will heim in mein Vaterland, willst du mit mir gehen, so will ich dich ernähren.' 'Ach,' antwortete sie, 'der Weg ist so weit, und was soll ich in einem fremden Lande machen, wo ich unbekannt bin.' Weil es also ihr Wille nicht recht war, und sie doch voneinander nicht lassen wollten, wünschte er sie zu einer schönen Nelke und steckte sie bei sich.
Da zog er fort, und der Pudelhund mußte mitlaufen, und zog in sein Vaterland. Nun ging er zu dem Turm, wo seine Mutter darinsaß, und weil der Turm so hoch war, wünschte er eine Leiter herbei, die bis obenhin reichte. Da stieg er hinauf und sah hinein und rief 'herzliebste Mutter, Frau Königin, seid Ihr noch am Leben, oder seid Ihr tot?' Sie antwortete 'ich habe ja eben gegessen und bin noch satt,' und meinte, die Engel wären da. Sprach er 'ich bin Euer lieber Sohn, den die wilden Tiere Euch sollen vom Schoß geraubt haben: aber ich bin noch am Leben und will Euch bald erretten.' Nun stieg er herab und ging zu seinem Herrn Vater, und ließ sich anmelden als ein fremder Jäger, ob er könnte Dienste bei ihm haben. Antwortete der König ja, wenn er gelernt wäre und ihm Wildbret schaffen könnte, sollte er herkommen; es hatte sich aber auf der ganzen Grenze und Gegend niemals Wild aufgehalten. Da sprach der Jäger, er wollte ihm so viel Wild schaffen, als er nur auf der königlichen Tafel brauchen könnte. Dann hieß er die Jägerei zusammenkommen, sie sollten alle mit ihm hinaus in den Wald gehen. Da gingen sie mit, und draußen hieß er sie einen großen Kreis schließen, der an einem Ende offen blieb, und dann stellte er sich hinein und fing an zu wünschen. Alsbald kamen zweihundert und etliche Stück Wildbret in den Kreis gelaufen, und die Jäger mußten es schießen. Da ward alles auf sechzig Bauernwagen geladen und dem König heim gefahren; da konnte er einmal seine Tafel mit Wildbret zieren, nachdem er lange Jahre keins gehabt hatte.
Nun empfand der König große Freude darüber und bestellte, es sollte des andern Tags seine ganze Hofhaltung bei ihm speisen, und machte ein großes Gastmahl. Wie sie alle beisammen waren, sprach er zu dem Jäger 'weil du so geschickt bist, so sollst du neben mir sitzen.' Er antwortete 'Herr König, Ew. Majestät halte zu Gnaden, ich bin ein schlechter Jägerbursch.' Der König aber bestand darauf und sagte 'du sollst dich neben mich setzen,' bis er es tat. Wie er da saß, dachte er an seine liebste Frau Mutter, und wünschte, daß nur einer von des Königs ersten Dienern von ihr anfinge und fragte, wie es wohl der Frau Königin im Turm ginge, ob sie wohl noch am Leben wäre oder verschmachtet. Kaum hatte er es gewünscht, so fing auch schon der Marschall an und sprach 'königliche Majestät, wir leben hier in Freuden, wie geht es wohl der Frau Königin im Turm, ob sie wohl noch am Leben oder verschmachtet ist?' Aber der König antwortete 'sie hat mir meinen lieben Sohn von den wilden Tieren zerreißen lassen, davon will ich nichts hören.' Da stand der Jäger auf und sprach, 'gnädigster Herr Vater, sie ist noch am Leben, und ich bin ihr Sohn, und die wilden Tiere haben ihn nicht geraubt, sondern der Bösewicht, der alte Koch, hat es getan, der hat mich, als sie eingeschlafen war, von ihrem Schoß weggenommen und ihre Schürze mit dem Blut eines Huhns betropft.' Darauf nahm er den Hund mit dem goldenen Halsband und sprach 'das ist der Bösewicht,' und ließ glühende Kohlen bringen, die mußte er angesichts aller fressen, daß ihm die Lohe aus dem Hals schlug. Darauf fragte er den König, ob er ihn in seiner wahren Gestalt sehen wollte, und wünschte ihn wieder zum Koch, da stand er alsbald mit der weißen Schürze und dem Messer an der Seite. Der König, wie er ihn sah, ward zornig und befahl, daß er in den tiefsten Kerker sollte geworfen werden. D arauf sprach der Jäger weiter 'Herr Vater, wollt Ihr auch das Mädchen sehen, das mich so zärtlich aufgezogen hat und mich hernach ums Leben bringen sollte, es aber nicht getan hat, obgleich sein eigenes Leben auf dem Spiel stand?' Antwortete der König 'ja, ich will sie gerne sehen.' Sprach der Sohn 'gnädigster Herr Vater, ich will sie Euch zeigen in Gestalt einer schönen Blume.' Und griff in die Tasche und holte die Nelke, und stellte sie auf die königliche Tafel und sie war so schön, wie der König nie eine gesehen hatte. Darauf sprach der Sohn 'nun will ich sie auch in ihrer wahren Gestalt zeigen,' und wünschte sie zu einer Jungfrau; da stand sie da und war so schön, daß kein Maler sie hätte schöner malen können.
Der König aber schickte zwei Kammerfrauen und zwei Diener hinab in den Turm, die sollten die Frau Königin holen und an die königliche Tafel bringen. Als sie aber dahin geführt ward, aß sie nichts mehr und sagte 'der gnädige barmherzige Gott, der mich im Turm erhalten hat, wird mich bald erlösen.' Da lebte sie noch drei Tage und starb dann selig; und als sie begraben ward, da folgten ihr die zwei weißen Tauben nach, die ihr das Essen in den Turm gebracht hatten und Engel vom Himmel waren, und setzten sich auf ihr Grab. Der alte König ließ den Koch in vier Stücke zerreißen, aber der Gram zehrte an seinem Herzen, und er starb bald. Der Sohn heiratete die schöne Jungfrau, die er als Blume in der Tasche mitgebracht hatte, und ob sie noch leben, das steht bei Gott.
Diese Folge wird Ihnen von Podbean.com zur Verfügung gestellt.
Monday Aug 12, 2024
Monday Aug 12, 2024
Es trug sich zu, daß die Katze in einem Walde dem Herrn Fuchs begegnete, und weil sie dachte: "Er ist gescheit und wohl erfahren, und gilt viel in der Welt," so sprach sie ihm freundlich zu. "Guten Tag, lieber Herr Fuchs, wie gehts? Wie stehts? Wie schlagt Ihr Euch durch in dieser teuren Zeit?" Der Fuchs, alles Hochmutes voll, betrachtete die Katze von Kopf bis zu Füßen und wußte lange nicht, ob er eine Antwort geben sollte. Endlich sprach er: "O du armseliger Bartputzer, du buntscheckiger Narr, du Hungerleider und Mäusejäger, was kommt dir in den Sinn? Du unterstehst dich zu fragen, wie mirs gehe? Was hast du gelernt? Wieviel Künste verstehst du?" - "Ich verstehe nur eine einzige," antwortete bescheidentlich die Katze. "Was ist das für eine Kunst?" fragte der Fuchs. "Wenn die Hunde hinter mir her sind, so kann ich auf einen Baum springen und mich retten." - "Ist das alles?" sagte der Fuchs, "ich bin Herr über hundert Künste und habe überdies noch einen Sack voll Liste. Du jammerst mich, komm mit mir, ich will dich lehren, wie man den Hunden entgeht." Indem kam ein Jäger mit vier Hunden daher. Die Katze sprang behend auf einen Baum und setzte sich in den Gipfel, wo Äste und Laubwerk sie völlig verbargen. "Bindet den Sack auf, Herr Fuchs, bindet den Sack auf," rief ihm die Katze zu, aber die Hunde hatten ihn schon gepackt und hielten ihn fest. "Ei, Herr Fuchs," rief die Katze, "Ihr bleibt mit Euren hundert Künsten stecken. Hättet Ihr heraufkriechen können wie ich, so wärs nicht um Euer Leben geschehen."Diese Folge wird Ihnen von Podbean.com zur Verfügung gestellt.
Monday Aug 12, 2024
Monday Aug 12, 2024
Die Wölfin brachte ein Junges zur Welt und ließ den Fuchs zu Gevatter einladen. "Er ist doch nahe mit uns verwandt," sprach sie, "hat einen guten Verstand und viel Geschicklichkeit, er kann mein Söhnlein unterrichten und ihm in der Welt forthelfen." Der Fuchs erschien auch ganz ehrbar und sprach: "Liebwerte Frau Gevatterin, ich danke Euch für die Ehre, die Ihr mir erzeigt, ich will mich aber auch so halten, daß Ihr Eure Freude daran haben sollt." Bei dem Fest ließ er sichs schmecken und machte sich ganz lustig, hernach sagte er: "Liebe Frau Gevatterin, es ist unsere Pflicht, für das Kindlein zu sorgen, Ihr müßt gute Nahrung haben, damit es auch zu Kräften kommt. Ich weiß einen Schafstall, woraus wir leicht ein gutes Stück holen können." Der Wölfin gefiel das Liedlein, und sie ging mit dem Fuchs hinaus nach dem Bauernhof. Er zeigte ihr den Stall aus der Ferne und sprach: "Dort werdet Ihr ungesehen hineinkriechen können, ich will mich derweil auf der anderen Seite umsehen, ob ich etwa ein Hühnlein erwische." Er ging aber nicht hin, sondern ließ sich am Eingang des Waldes nieder, streckte die Beine und ruhte sich. Die Wölfin kroch in den Stall, da lag ein Hund und machte Lärm, so daß die Bauern gelaufen kamen, die Frau Gevatterin ertappten und eine scharfe Lauge von ungebrannter Asche über ihr Fell gossen. Endlich entkam sie doch und schleppte sich hinaus; da lag der Fuchs, tat ganz kläglich und sprach: "Ach, liebe Frau Gevatterin, wie ist mirs schlimm ergangen! Die Bauern haben mich überfallen und mir alle Glieder zerschlagen, wenn Ihr nicht wollt, daß ich auf dem Platz liegen bleiben und verschmachten soll, so müßt Ihr mich forttragen." Die Wölfin konnte selbst nur langsam fort, doch hatte sie große Sorge für den Fuchs, daß sie ihn auf ihren Rücken nahm, und den ganz gesunden und heilen Gevatter langsam bis zu ihrem Haus trug. Da rief er ihr zu: "Lebt wohl, liebe Frau Gevatterin, und laßt Euch den Braten wohl bekommen," lachte sie gewaltig aus und sprang fort.Diese Folge wird Ihnen von Podbean.com zur Verfügung gestellt.
Monday Aug 12, 2024
Monday Aug 12, 2024
Der Wolf hatte den Fuchs bei sich, und was der Wolf wollte, das mußte der Fuchs tun, weil er der schwächste war, und der Fuchs wäre gerne des Herrn los gewesen. Es trug sich zu, daß sie beide durch den Wald gingen, da sprach der Wolf: "Rotfuchs, schaff mir was zu fressen, oder ich fresse dich selber auf." Da antwortete der Fuchs: "Ich weiß einen Bauernhof, wo ein paar junge Lämmlein sind, hast du Lust, so wollen wir eins holen." Dem Wolf war das recht, sie gingen hin, und der Fuchs stahl das Lämmlein, brachte es dem Wolf und machte sich fort. Da fraß es der Wolf auf, war aber damit noch nicht zufrieden, sondern wollte das andere dazu haben und ging, es zu holen. Weil er es aber so ungeschickt machte, ward es die Mutter vom Lämmlein gewahr und fing an entsetzlich zu schreien und zu bIäen, daß die Bauern herbeigelaufen kamen. Da fanden sie den Wolf und schlugen ihn so erbärmlich, daß er hinkend und heulend bei dem Fuchs ankam. "Du hast mich schön angeführt," sprach er, "ich wollte das andere Lamm holen, da haben mich die Bauern erwischt und haben mich weich geschlagen." Der Fuchs antwortete: "Warum bist du so ein Nimmersatt."
Am andern Tag gingen sie wieder ins Feld, sprach der gierige Wolf abermals: "Rotfuchs, schaff mir was zu fressen, oder ich fresse dich selber auf." Da antwortete der Fuchs: "Ich weiß ein Bauernhaus, da backt die Frau heut abend Pfannkuchen, wir wollen uns davon holen." Sie gingen hin, und der Fuchs schlich ums Haus herum, guckte und schnupperte so lange, bis er ausfindig machte, wo die Schüssel stand, zog dann sechs Pfannkuchen herab und brachte sie dem Wolf. "Da hast du zu fressen," sprach er zu ihm und ging seiner Wege. Der Wolf hatte die Pfannkuchen in einem Augenblick hinuntergeschluckt und sprach: "Sie schmecken nach mehr," ging hin und riß geradezu die ganze Schüssel herunter, daß sie in Stücke zersprang. Da gabs einen gewaltigen Lärm, daß die Frau herauskam, und als sie den Wolf sah, rief sie die Leute, die eilten herbei und schlugen ihn, was Zeug wollte halten, daß er mit zwei lahmen Beinen laut heulend zum Fuchs in den Wald hinauskam. "Was hast du mich garstig angeführt!" rief er, "die Bauern haben mich erwischt und mir die Haut gegerbt." Der Fuchs aber antwortete: "Warum bist du so ein Nimmersatt."
Am dritten Tag, als sie beisammen draußen waren und der Wolf mit Mühe nur forthinkte, sprach er doch wieder: "Rotfuchs, schaff mir was zu fressen, oder ich fresse dich selber auf." Der Fuchs antwortete: "Ich weiß einen Mann, der hat geschlachtet, und das gesalzene Fleisch liegt in einem Faß im Keller, das wollen wir holen." Sprach der Wolf: "Aber ich will gleich mitgehen, damit du mir hilfst, wenn ich nicht fort kann." - "Meinetwegen," sprach der Fuchs, und zeigte ihm die Schliche und Wege, auf welchen sie endlich in den Keller gelangten. Da war nun Fleisch im Überfluß, und der Wolf machte sich gleich daran und dachte: "Bis ich aufhöre, hats Zeit." Der Fuchs ließ sichs auch gut schmecken, blickte überall herum, lief aber oft zu dem Loch, durch welches sie gekommen waren, und versuchte, ob sein Leib noch schmal genug wäre, durchzuschlüpfen. Sprach der Wolf: "Lieber Fuchs, sag mir, warum rennst du so hin und her, und springst hinaus und herein?" - "Ich muß doch sehen, ob niemand kommt," antwortete der Listige, "friß nur nicht zuviel." Da sagte der Wolf: "Ich gehe nicht eher fort, als bis das Faß leer ist." Indem kam der Bauer, der den Lärm von des Fuchses Sprüngen gehört hatte, in den Keller. Der Fuchs, wie er ihn sah, war mit einem Satz zum Loch draußen: der Wolf wollte nach, aber er hatte sich so dick gefressen, daß er nicht mehr durch konnte, sondern stecken blieb. Da kam der Bauer mit einem Knüppel und schlug ihn tot. Der Fuchs aber sprang in den Wald und war froh, daß er den alten Nimmersatt los war.
Diese Folge wird Ihnen von Podbean.com zur Verfügung gestellt.
Monday Aug 12, 2024
Monday Aug 12, 2024
Der Fuchs erzählte einmal dem Wolf von der Stärke des Menschen, kein Tier könnte ihm widerstehen, und sie müßten List gebrauchen, um sich vor ihm zu erhalten. Da antwortete der Wolf: "Wenn ich nur einmal einen Menschen zu sehen bekäme, ich wollte doch auf ihn losgehen." - "Dazu kann ich dir helfen," sprach der Fuchs, "komm nur morgen früh zu mir, so will ich dir einen zeigen." Der Wolf stellte sich frühzeitig ein, und der Fuchs brachte ihn hinaus auf den Weg, den der Jäger alle Tage ging. Zuerst kam ein alter abgedankter Soldat. "Ist das ein Mensch?" fragte der Wolf. "Nein," antwortete der Fuchs, "das ist einer gewesen." Danach kam ein kleiner Knabe, der zur Schule wollte. "Ist das ein Mensch?" - "Nein, das will erst einer werden." Endlich kam der Jäger, die Doppelflinte auf dem Rücken und den Hirschfänger an der Seite. Sprach der Fuchs zum Wolf: "Siehst du, dort kommt ein Mensch, auf den mußt du losgehen, ich aber will mich fort in meine Höhle machen." Der Wolf ging nun auf den Menschen los, der Jäger, als er ihn erblickte, sprach: "Es ist schade, daß ich keine Kugel geladen habe," legte an und schoß dem Wolf das Schrot ins Gesicht. Der Wolf verzog das Gesicht gewaltig, doch ließ er sich nicht schrecken und ging vorwärts: da gab ihm der Jäger die zweite Ladung. Der Wolf verbiß den Schmerz und rückte dem Jäger zu Leibe: da zog dieser seinen blanken Hirschfänger und gab ihm links und rechts ein paar Hiebe, daß er, über und über blutend, mit Geheul zu dem Fuchs zurücklief. "Nun, Bruder Wolf," sprach der Fuchs, "wie bist du mit dem Menschen fertig worden?" - "Ach," antwortete der Wolf, "so hab ich mir die Stärke des Menschen nicht vorgestellt, erst nahm er einen Stock von der Schulter und blies hinein, da flog mir etwas ins Gesicht, das hat mich ganz entsetzlich gekitzelt: danach pustete er noch einmal in den Stock, da flog mirs um die Nase wie Blitz und Hagelwetter, und wie ich ganz nah war, da zog er eine blanke Rippe aus dem Leib, damit hat er so auf mich losgeschlagen, daß ich beinah tot wäre liegen geblieben." - "Siehst du," sprach der Fuchs, "was du für ein Prahlhans bist: du wirfst das Beil so weit, daß dus nicht wieder holen kannst."Diese Folge wird Ihnen von Podbean.com zur Verfügung gestellt.
Monday Aug 12, 2024
Monday Aug 12, 2024
Es war einmal ein Mann, der verstand allerlei Künste er diente im Krieg und hielt sich brav und tapfer, aber als der Krieg zu Ende war, bekam er den Abschied und drei Heller Zehrgeld auf den Weg. "Wart," sprach er, "das lasse ich mir nicht gefallen finde ich die rechten Leute, so soll mir der König noch die Schätze des ganzen Landes herausgeben. Da ging er voll Zorn in den Wald und sah einen darin stehen, der hatte sechs Bäume ausgerupft, als wären's Kornhalme. Sprach er zu ihm: "Willst du mein Diener sein und mit mir ziehen?" - "Ja, antwortete er, "aber erst will ich meiner Mutter das Wellchen Holz heimbringen," und nahm einen von den Bäumen und wickelte ihn um die fünf andern, hob die Welle auf die Schulter und trug sie fort. Dann kam er wieder und ging mit seinem Herrn, der sprach: "Wir zwei sollten wohl durch die ganze Welt kommen."
Und als sie ein Weilchen gegangen waren, fanden sie einen Jäger, der lag auf den Knien, hatte die Büchse angelegt und zielte. Sprach der Herr zu ihm: "Jäger, was willst du schießen?" Er antwortete: "Zwei Meilen von hier sitzt eine Fliege auf dem Ast eines Eichbaumes, der will ich das linke Auge herausschießen." - "Oh, geh mit mir', sprach der Mann, "wenn wir drei zusammen sind, sollten wir wohl durch die ganze Welt kommen." Der Jäger war bereit und ging mit ihm, und sie kamen zu sieben Windmühlen, deren Flügel trieben ganz hastig herum, und ging doch links und rechts kein Wind und bewegte sich kein Blättchen. Da sprach der Mann: "Ich weiß nicht, was die Windmühlen treibt, es regt sich ja kein Lüftchen," und ging mit seinen Dienern weiter, und als sie zwei Meilen fortgegangen waren, sahen sie einen auf einem Baum sitzen, der hielt das eine Nasenloch zu und blies aus dem andern. "Mein! Was treibst du da oben?" fragte der Mann. Er antwortete: "Zwei Meilen von hier stehen sieben Windmühlen, seht, die blase ich an, daß sie laufen." - "Oh, geh mit mir," sprach der Mann, "wenn wir vier zusammen sind, sollten wir wohl durch die ganze Welt kommen!"
Da stieg der Bläser herab und ging mit, und über eine Zeit sahen sie einen, der stand da auf einem Bein und hatte das andere abgeschnallt und neben sich gelegt. Da sprach der Herr: "Du hast dir's ja bequem gemacht zum Ausruhen." - "Ich bin ein Läufer," antwortete er, "und damit ich nicht gar zu schnell springe, habe ich mir das eine Bein abgeschnallt wenn ich mit zwei Beinen laufe, so geht's geschwinder, als ein Vogel fliegt." - "Oh, geh mit mir, wenn wir fünf zusammen sind, sollten wir wohl durch die ganze Welt kommen!"
Da ging er mit, und gar nicht lang, so begegneten sie einem, der hatte ein Hütchen auf, hatte es aber ganz auf dem einen Ohr sitzen. Da sprach der Herr zu ihm: "Manierlich! Manierlich! Häng deinen Hut doch nicht auf ein Ohr, du siehst ja aus wie ein Hansnarr." - "Ich darf's nicht tun," sprach der andere, "denn setz' ich meinen Hut gerad, so kommt ein gewaltiger Frost, und die Vögel unter dem Himmel erfrieren und fallen tot zur Erde." - "Oh, geh mit mir," sprach der Herr, "wenn wir sechs zusammen sind, sollten wir Wohl durch die ganze Welt kommen!"
Nun gingen die sechse in eine Stadt, wo der König hatte bekanntmachen lassen, wer mit seiner Tochter in die Wette laufen wollte und den Sieg davontrüge, der sollte ihr Gemahl werden; wer aber verlöre, müßte auch seinen Kopf hergeben. Da meldete sich der Mann und sprach: "Ich will aber meinen Diener für mich laufen lassen." Der König antwortete: "Dann mußt du auch noch dessen Leben zum Pfand setzen, also daß sein und dein Kopf für den Sieg haften." Als das verabredet und festgemacht war, schnallte der Mann dem Läufer das andere Bein an und sprach zu ihm: "Nun sei hurtig und hilf, daß wir siegen!" Es war aber bestimmt, daß wer am ersten Wasser aus einem weit abgelegenen Brunnen brächte, der sollte Sieger sein. Nun bekam der Läufer einen Krug und die Königstochter auch einen, und sie fingen zu gleicher Zeit zu laufen an; aber in einem Augenblick, als die Königstochter erst eine kleine Strecke fort war, konnte den Läufer schon kein Zuschauer mehr sehen, und es war nicht anders als wäre der Wind vorbeigesaust In kurzer Zeit langte er bei dem Brunnen an, schöpfte den Krug voll Wasser und kehrte wieder um. Mitten aber auf dem Heimweg überkam ihn eine Müdigkeit, da setzte er den Krug hin, legte sich nieder und schlief ein. Er hatte aber einen Pferdeschädel der da auf der Erde lag, zum Kopfkissen gemacht, damit er hart läge und bald wieder erwache. Indessen war die Königstochter, die auch gut laufen konnte, so gut es gerade ein gewöhnlicher Mensch vermag, bei dem Brunnen angelangt und eilte mit ihrem Krug voll Wasser zurück; und als sie den Läufer da liegen und schlafen sah, war sie froh und sprach: "Der Feind ist in meine Hände gegeben," leerte seinen Krug aus und sprang weiter. Nun wäre alles verloren gewesen, wenn nicht zum guten Glück der Jäger mit seinen scharfen Augen oben auf dem Schloß gestanden und alles mitangesehen hätte. Da sprach er: "Die Königstochter soll doch gegen uns nicht aufkommen," lud seine Büchse und schoß so geschickt, daß er dem Läufer den Pferdeschädel unterm Kopf wegschoß, ohne ihm weh zu tun. Da erwachte der Läufer, sprang in die Höhe und sah, daß sein Krug leer und die Königstochter schon weit voraus war. Aber er verlor den Mut nicht, lief mit dem Krug wieder zum Brunnen zurück, schöpfte aufs neue Wasser und war noch zehn Minuten eher als die Königstochter daheim. "Seht ihr," sprach er, "jetzt hab ich erst die Beine aufgehoben, vorher war's gar kein Laufen zu nennen." Den König aber kränkte es und seine Tochter noch mehr, daß sie so ein gemeiner, abgedankter Soldat davontragen sollte; sie ratschlagten miteinander, wie sie ihn samt seinen Gesellen los würden. Da sprach der König zu ihr: "Ich habe ein Mittel gefunden, laß dir nicht bang sein, sollen nicht wieder heimkommen." Und sprach zu ihnen: "Ihr sollt euch nun zusammen lustig machen, essen und trinken," und führte sie zu einer Stube, die hatte einen Boden von Eisen, und die Türen waren auch von Eisen, und die Fenster waren mit eisernen Stäben verwahrt. In der Stube war eine Tafel mit köstlichen Speisen besetzt, da sprach der König zu ihnen: "Geht hinein und laßt euch wohl sein!" Und wie sie darinnen waren, ließ er die Türe verschließen und verriegeln. Dann ließ er den Koch kommen und befahl ihm, ein Feuer so lange unter die Stube zu machen, bis das Eisen glühend würde. Das tat der Koch, und es ward den sechsen in der Stube, während sie an der Tafel saßen, ganz warm und sie meinten, das käme vom Essen; als aber die Hitze immer größer ward und sie hinaus wollten, Tür und Fenster aber verschlossen fanden, da merkten sie, daß der König Böses im Sinne gehabt hatte und sie ersticken wollte. "Es soll ihm aber nicht gelingen," sprach der mit dem Hütchen, "ich will einen Frost kommen lassen, von dem sich das Feuer schämen und verkriechen soll." Da setzte er sein Hütchen gerade, und alsobald fiel ein Frost, daß alle Hitze verschwand und die Speisen auf den Schüsseln anfingen zu frieren. Als nun ein paar Stunden herum waren und der König glaubte, sie wären in der Hitze verschmachtet, ließ er die Türe öffnen und wollte selbst nach ihnen sehen. Aber wie die Türe aufging, standen sie alle sechse da, frisch und gesund und sagten, es wäre ihnen lieb, daß sie heraus könnten, sich zu wärmen, denn bei der großen Kälte in der Stube frören die Speisen an den Schüsseln fest. Da ging der König voll Zorn hinab zu dem Koch, schalt ihn und fragte, warum er nicht getan hätte, was ihm wäre befohlen worden. Der Koch aber antwortete: "Es ist Glut genug da, seht nur selbst." Da sah der König, daß ein gewaltiges Feuer unter der Eisenstube brannte, und merkte, daß er den sechsen auf diese Weise nichts anhaben konnte.
Nun sann der König aufs neue, wie er die bösen Gäste los würde, ließ den Meister kommen und sprach: "Willst du Gold nehmen und dein Recht auf meine Tochter aufgeben, so sollst du haben, soviel du willst." - "Oh ja, Herr König," antwortete er, "gebt mir soviel, als mein Diener tragen kann, so verlange ich Eure Tochter nicht." Da war der König zufrieden, und jener sprach weiter: "So will ich in vierzehn Tagen kommen und es holen." Darauf rief er alle Schneider aus dem ganzen Reich herbei, die mußten vierzehn Tage lang sitzen und einen Sack nähen. Und als er fertig war, mußte der Starke, welcher Bäume ausrupfen konnte, den Sack auf die Schulter nehmen und mit ihm zu dem König gehen. Da sprach der König: "Was ist das für ein gewaltiger Kerl, der den hausgroßen Ballen Leinwand auf der Schulter trägt?," erschrak und dachte: Was wird der für Gold wegschleppen. Da hieß er eine Tonne Gold herbeibringen, die mußten sechzehn zehn der stärksten Männer tragen, aber der Starke packte sie mit einer Hand, steckte sie in den Sack und sprach: "Warum bringt ihr nicht gleich mehr, das deckt ja kaum den Boden." Da ließ der König nach und nach seinen ganzen Schatz herbeitragen, den schob der Starke in den Sack hinein, und der Sack ward davon noch nicht zur Hälfte voll. Da mußten noch siebentausend Wagen mit Gold in dem ganzen Reich zusammengefahren werden, die schob der Starke samt den vorgespannten Ochsen in seinen Sack. "Ich will's nicht lange besehen," sprach er, "und nehmen was kommt, damit der Sack nur voll wird." Wie alles darin stak, ging doch noch viel hinein; da sprach er: "Ich will dem Ding nun ein Ende machen, man bindet wohl einmal einen Sack zu, wenn er auch noch nicht voll ist." Dann huckte er ihn auf den Rücken und ging mit seinen Gesellen fort. Als der König nun sah, wie der einzige Mann des ganzen Landes Reichtum forttrug, ward er zornig und ließ seine Reiterei aufsitzen, die sollte den sechsen nachjagen, und hatten den Befehl, dem Starken den Sack wieder abzunehmen. Zwei Regimenter holten sie bald ein und riefen ihnen zu: "Ihr seid Gefangene, legt den Sack mit dem Gold nieder oder ihr werdet zusammengehauen!" - "Was sagt ihr?" sprach der Bläser, "wir wären Gefangene? Eher sollt ihr sämtlich in der Luft herumtanzen," hielt das eine Nasenloch zu und blies mit dem andern die beiden Regimenter an, da fuhren sie auseinander und in die blaue Luft über alle Berge weg, der eine hierhin, der andere dorthin. Ein Feldwebel rief um Gnade, er hätte neun Wunden und wäre ein braver Kerl, der den Schimpf nicht verdiente. Da ließ der Bläser ein wenig nach, so daß er ohne Schaden wieder herabkam, dann sprach er zu ihm: "Nun geh heim zum König und sag, er sollte nur noch mehr Reiterei schicken, ich wollte sie alle in die Luft blasen." Der König, als er den Bescheid vernahm, sprach: "Laßt die Kerle gehen, die haben etwas an sich."
Da brachten die sechse den Reichtum heim, teilten ihn unter sich und lebten vergnügt bis an ihr Ende.
Diese Folge wird Ihnen von Podbean.com zur Verfügung gestellt.
Monday Aug 12, 2024
Monday Aug 12, 2024
Ein Vater ließ einmal seine drei Söhne vor sich kommen und schenkte dem ersten einen Hahn, dem zweiten eine Sense, dem dritten eine Katze. "Ich bin schon alt," sagte er, "und mein Tod ist nah, da wollte ich euch vor meinem Ende noch versorgen. Geld hab ich nicht, und was ich euch jetzt gebe, scheint wenig wert, es kommt aber bloß darauf an, daß ihr es verständig anwendet: sucht euch nur ein Land, wo dergleichen Dinge noch unbekannt sind, so ist euer Glück gemacht." Nach dem Tode des Vaters ging der äIteste mit seinem Hahn aus, wo er aber hinkam, war der Hahn schon bekannt: in den Städten sah er ihn schon von weitem auf den Türmen sitzen und sich mit dem Wind umdrehen, in den Dörfern hörte er mehr als einen krähen, und niemand wollte sich über das Tier wundern, so daß es nicht das Ansehen hatte, als würde er sein Glück damit machen. Endlich aber geriets ihm doch, daß er auf eine Insel kam, wo die Leute nichts von einem Hahn wußten, sogar ihre Zeit nicht einzuteilen verstanden. Sie wußten wohl, wenns Morgen oder Abend war, aber nachts, wenn sies nicht verschliefen, wußte sich keiner aus der Zeit herauszufinden. "Seht," sprach er, "was für ein stolzes Tier, es hat eine rubinrote Krone auf dem Kopf, und trägt Sporn wie ein Ritter: es ruft euch des Nachts dreimal zu bestimmter Zeit an, und wenns das letztemal ruft, so geht die Sonne bald auf. Wenns aber bei hellem Tag ruft, so richtet euch darauf ein, dann gibts gewiß anderes Wetter." Den Leuten gefiel das wohl, sie schliefen eine ganze Nacht nicht und hörten mit großer Freude, wie der Hahn um zwei, vier und sechs Uhr laut und vernehmlich die Zeit abrief. Sie fragten ihn, ob das Tier nicht feil wäre, und wieviel er dafür verlangte. "Etwa so viel, als ein Esel Gold trägt," antwortete er. "Ein Spottgeld für ein so kostbares Tier," riefen sie insgesamt und gaben ihm gerne, was er gefordert hatte.
Als er mit dem Reichtum heim kam, verwunderten sich seine Brüder, und der zweite sprach: "So will ich mich doch aufmachen und sehen, ob ich meine Sense auch so gut losschlagen kann." Es hatte aber nicht das Ansehen danach, denn überall begegneten ihm Bauern und hatten so gut eine Sense auf der Schulter als er. Doch zuletzt glückte es ihm auch auf einer Insel, wo die Leute nichts von einer Sense wußten. Wenn dort das Korn reif war, so fuhren sie Kanonen vor den Feldern auf, und schossens herunter. Das war nun ein ungewisses Ding, mancher schoß darüber hinaus, ein anderer traf statt des Halms die Ähren und schoß sie fort, dabei ging viel zugrund, und obendrein gabs einen lästerlichen Lärm. Da stellte sich der Mann hin und mähte es so still und so geschwind nieder, daß die Leute Maul und Nase vor Verwunderung aufsperrten. Sie waren willig, ihm dafür zu geben, was er verlangte, und er bekam ein Pferd, dem war Gold aufgeladen, soviel es tragen konnte.
Nun wollte der dritte Bruder seine Katze auch an den rechten Mann bringen. Es ging ihm wie den andern, solange er auf dem festen Lande blieb, war nichts auszurichten, es gab allerorten Katzen, und waren ihrer so viel, daß die neugebornen Jungen meist im Wasser ersäuft wurden. Endlich ließ er sich auf eine Insel überschiffen, und es traf sich glücklicherweise, daß dort noch niemals eine gesehen war und doch die Mäuse so überhand genommen hatten, daß sie auf den Tischen und Bänken tanzten, der Hausherr mochte daheim sein oder nicht. Die Leute jammerten gewaltig über die Plage, der König selbst wußte sich in seinem Schlosse nicht dagegen zu retten: in allen Ecken pfiffen Mäuse und zernagten, was sie mit ihren Zähnen nur packen konnten. Da fing nun die Katze ihre Jagd an und hatte bald ein paar Säle gereinigt, und die Leute baten den König, das Wundertier für sein Reich zu kaufen. Der König gab gerne, was gefordert wurde, das war ein mit Gold beladener Maulesel, und der dritte Bruder kam mit den allergrößten Schätzen heim.
Die Katze machte sich in dem königlichen Schlosse mit den Mäusen eine rechte Lust und biß so viele tot, daß sie nicht mehr zu zählen waren. Endlich ward ihr von der Arbeit heiß und sie bekam Durst: da blieb sie stehen, drehte den Kopf in die Höhe und schrie: "Miau, miau." Der König samt allen seinen Leuten, als sie das seltsame Geschrei vernahmen, erschraken und liefen in ihrer Angst sämtlich zum Schloß hinaus. Unten hielt der König Rat, was zu tun das beste wäre; zuletzt ward beschlossen, einen Herold an die Katze abzuschicken und sie aufzufordern, das Schloß zu verlassen, oder zu gewärtigen, daß Gewalt gegen sie gebraucht würde. Die Räte sagten: "Lieber wollen wir uns von den Mäusen plagen lassen, an das Übel sind wir gewöhnt, als unser Leben einem solchen Untier preisgeben." Ein Edelknabe mußte hinaufgehen und die Katze fragen, ob sie das Schloß gutwillig räumen wollte. Die Katze aber, deren Durst nur noch größer geworden war, antwortete bloß: "Miau, miau." Der Edelknabe verstand 'durchaus, durchaus nicht', und überbrachte dem König die Antwort. "Nun," sprachen die Räte, "soll sie der Gewalt weichen." Es wurden Kanonen aufgeführt und das Haus in Brand geschossen. Als das Feuer in den Saal kam, wo die Katze saß, sprang sie glücklich zum Fenster hinaus; die Belagerer hörten aber nicht eher auf, als bis das ganze Schloß in Grund und Boden geschossen war.
Diese Folge wird Ihnen von Podbean.com zur Verfügung gestellt.
Monday Aug 12, 2024
Monday Aug 12, 2024
Es war einmal ein altes Schloß mitten in einem großen dicken Wald, darinnen wohnte eine alte Frau ganz allein, das war eine Erzzauberin. Am Tage machte sie sich zur Katze oder zur Nachteule, des Abends aber wurde sie wieder ordentlich wie ein Mensch gestaltet. Sie konnte das Wild und die Vögel herbeilocken, und dann schlachtete sie, kochte und briet es. Wenn jemand auf hundert Schritte dem Schloß nahe kam, so mußte er stillestehen und konnte sich nicht von der Stelle bewegen, bis sie ihn lossprach; wenn aber eine keusche Jungfrau in diesen Kreis kam, so verwandelte sie dieselbe in einen Vogel und sperrte sie dann in einen Korb ein und trug den Korb in eine Kammer des Schlosses. Sie hatte wohl siebentausend solcher Körbe mit so raren Vögeln im Schlosse.
Nun war einmal eine Jungfrau, die hieß Jorinde; sie war schöner als alle andere Mädchen. Die und dann ein gar schöner Jüngling namens Joringel hatten sich zusammen versprochen. Sie waren in den Brauttagen, und sie hatten ihr größtes Vergnügen eins am andern. Damit sie nun einsmalen vertraut zusammen reden könnten, gingen sie in den Wald spazieren. "Hüte dich," sagte Joringel, "daß du nicht so nahe ans Schloß kommst." Es war ein schöner Abend, die Sonne schien zwischen den Stämmen der Bäume hell ins dunkle Grün des Waldes, und die Turteltaube sang kläglich auf den alten Maibuchen.
Jorinde weinte zuweilen, setzte sich hin im Sonnenschein und klagte: Joringel klagte auch. Sie waren so bestürzt, als wenn sie hätten sterben sollen; sie sahen sich um, waren irre und wußten nicht, wohin sie nach Hause gehen sollten. Noch halb stand die Sonne über dem Berg, und halb war sie unter. Joringel sah durchs Gebüsch und sah die alte Mauer des Schlosses nah bei sich; er erschrak und wurde todbang. Jorinde sang:
"Mein Vöglein mit dem Ringlein rotsingt Leide, Leide, Leide:es singt dem Täubelein seinen Tod,singt Leide, Lei - zicküth, zicküth, zicküth."
Joringel sah nach Jorinde. Jorinde war in eine Nachtigall verwandelt, die sang zicküth, zicküth. Eine Nachteule mit glühenden Augen flog dreimal um sie herum und schrie dreimal schu, hu, hu, hu. Joringel konnte sich nicht regen. Er stand da wie ein Stein, konnte nicht weinen, nicht reden, nicht Hand noch Fuß regen. Nun war die Sonne unter; die Eule flog in einen Strauch, und gleich darauf kam eine alte krumme Frau aus diesem hervor, gelb und mager: große rote Augen, krumme Nase, die mit der Spitze ans Kinn reichte. Sie murmelte, fing die Nachtigall und trug sie auf der Hand fort. Joringel konnte nichts sagen, nicht von der Stelle kommen; die Nachtigall war fort. Endlich kam das Weib wieder und sagte mit dumpfer Stimme: "Grüß dich, Zachiel, wenn's Möndel ins Körbel scheint, bind lose Zachiel, zu guter Stund." Da wurde Joringel los. Er fiel vor dem Weib auf die Knie und bat, sie möchte ihm seine Jorinde wiedergeben, aber sie sagte, er sollte sie nie wiederhaben, und ging fort. Er rief, er weinte, er jammerte, aber alles umsonst. "Uu, was soll mir geschehen?" Joringel ging fort und kam endlich in ein fremdes Dorf; da hütete er die Schafe lange Zeit. Oft ging er rund um das Schloß herum, aber nicht zu nahe dabei. Endlich träumte er einmal des Nachts, er fände eine blutrote Blume, in deren Mitte eine schöne große Perle war. Die Blume brach er ab, ging damit zum Schlosse: alles, was er mit der Blume berührte, ward von der Zauberei frei; auch träumte er, er hätte seine Jorinde dadurch wiederbekommen. Des Morgens, als er erwachte, fing er an, durch Berg und Tal zu suchen, ob er eine solche Blume fände; er suchte bis an den neunten Tag, da fand er die blutrote Blume am Morgen früh. In der Mitte war ein großer Tautropfe, so groß wie die schönste Perle. Diese Blume trug er Tag und Nacht bis zum Schloß. Wie er auf hundert Schritt nahe bis zum Schloß kam, da ward er nicht fest, sondern ging fort bis ans Tor. Joringel freute sich hoch, berührte die Pforte mit der Blume, und sie sprang auf. Er ging hinein, durch den Hof, horchte, wo er die vielen Vögel vernähme; endlich hörte er's. Er ging und fand den Saal, darauf war die Zauberin und fütterte die Vögel in den siebentausend Körben. Wie sie den Joringel sah, ward sie bös, sehr bös, schalt, spie Gift und Galle gegen ihn aus, aber sie konnte auf zwei Schritte nicht an ihn kommen. Er kehrte sich nicht an sie und ging, besah die Körbe mit den Vögeln; da waren aber viele hundert Nachtigallen, wie sollte er nun seine Jorinde wiederfinden? Indem er so zusah, [merkte er,] daß die Alte heimlich ein Körbchen mit einem Vogel wegnahm und damit nach der Türe ging. Flugs sprang er hinzu, berührte das Körbchen mit der Blume und auch das alte Weib - nun konnte sie nichts mehr zaubern, und Jorinde stand da, hatte ihn um den Hals gefaßt, so schön, wie sie ehemals war. Da machte er auch alle die andern Vögel wieder zu Jungfrauen, und da ging er mit seiner Jorinde nach Hause, und sie lebten lange vergnügt zusammen.
Diese Folge wird Ihnen von Podbean.com zur Verfügung gestellt.
Monday Aug 12, 2024
Monday Aug 12, 2024
Jan wollte seinen Sohn ein Handwerk lehren lassen; da ging Jan in die Kirche und betete zu unserem Herrgott, was ihm wohl zuträglich wäre. Da steht der Küster hinter dem Altar und sagt: "Das Gaudieben, das Gaudieben." Da geht Jan wieder zu seinem Sohn, er müßte das Gaudieben lernen, das hätte ihm unser Herrgott gesagt. Geht er mit seinem Sohn und sucht sich einen Mann, der das Gaudieben kann. Da gehen sie dann eine ganze Zeit und kommen in einen großen Wald, da steht so ein kleines Häuschen mit so einer alten Frau darin. Sagt Jan zu ihr: "Wißt Ihr nicht einen Mann, der das Gaudieben kann?" - "Das könnt ihr hier wohl lernen," sagt die Frau, "mein Sohn ist ein Meister darin." Da spricht er mit dem Sohn, ob er auch richtig gaudieben könne. Der Gaudiebsmeister sagt: "Ich will's Euren Sohn schon richtig lehren. Kommt nur übers Jahr wieder, wenn Ihr dann Euren Sohn noch kennt, dann will ich gar kein Lehrgeld haben, und kennt Ihr ihn nicht, dann müßt Ihr mir zweihundert Taler geben."
Der Vater geht wieder nach Hause, und der Sohn lernt gut hexen und gaudieben. Als das Jahr um ist, geht der Vater und denkt traurig darüber nach, wie er das anfangen will, daß er seinen Sohn erkennt. Wie er nun so geht und vor sich hinsinnt, da kommt ihm ein kleines Männchen entgegen, das sagt: "Mann, was ist Euch? Ihr seid ja so betrübt?" - "Oh," sagt Jan, "ich habe meinen Sohn vor einem Jahr bei einem Gaudiebsmeister vermietet, der sagte mir, ich solle übers Jahr wiederkommen, und wenn ich dann meinen Sohn nicht kenne, dann sollte ich ihm zweihundert Taler geben; wenn ich ihn aber erkennen würde, dann hätt ich ihm nichts zu geben. Nun bin ich aber so bange, daß ich ihn nicht erkenne, und ich weiß nicht, wo ich das Geld herkriegen soll."
Da sagt das Männchen, er solle ein Krüstchen Brot mitnehmen und sich damit unter den Kamin stellen: "Da auf der Stange steht ein Körbchen, da guckt ein Vögelchen heraus, das ist Euer Sohn."
Da geht Jan hin und wirft ein Krüstchen Schwarzbrot vor den Korb; da kommt das Vögelchen heraus und blickt darauf: "Holla, mein Sohn, bist du hier?" sagt der Vater. Da freute sich der Sohn, daß er seinen Vater sah, aber der Lehrmeister sagte: "Das hat dir der Teufel eingegeben; wie könnt Ihr sonst Euren Sohn erkennen?" - "Vater, laß uns gehen," sagte der Junge.
Da will der Vater mit seinem Sohn nach Hause gehen; unterwegs kommt da eine Kutsche angefahren. Da sagt der Sohn zu seinem Vater: "Ich will mich in einen großen Windhund verwandeln, dann könnt Ihr viel Geld mit mir verdienen." Da ruft der Herr aus der Kutsche: "Mann, wollt Ihr den Hund verkaufen?" - "Ja," sagte der Vater. "Wieviel Geld wollt Ihr denn dafür haben?" - "Dreißig Taler." - "Ja, Mann, das ist viel, aber meinetwegen, da er so ein gewaltig schöner Rüde ist, so will ich ihn behalten." Der Herr nimmt ihn in seine Kutsche, aber kaum ist er ein Stück gefahren, da springt der Hund durch das Glas aus dem Wagen, und da war er kein Windhund mehr und war wieder bei seinem Vater.
Da gehen sie nun zusammen nach Hause. Am andern Tag ist Markt im nächsten Dorf; da sagt der Junge zu seinem Vater: "Ich will mich nun in ein schönes Pferd verwandeln, dann verkauft mich; aber wenn Ihr mich verkauft habt, dann müßt Ihr mir den Zaum abnehmen, sonst kann ich kein Mensch wieder werden." Da zieht der Vater nun mit dem Pferd zum Markt; da kommt der Gaudiebsmeister und kauft das Pferd für hundert Taler, und der Vater vergißt's und nimmt ihm den Zaum nicht ab. Da nimmt nun der Mann das Pferd mit nach Hause und stellt es in den Stall. Als die Magd über die Diele geht, da sagt das Pferd: "Nimm mir den Zaum, nimm mir den Zaum ab!" Da bleibt die Magd stehen und lauscht: "Ja, kannst du reden?" Geht hin und nimmt den Zaum ab. Da wird das Pferd ein Sperling und fliegt über die Türe, aber der Hexenmeister wird auch ein Sperling und fliegt ihm nach. Da kommen sie miteinander zusammen und beißen sich, aber der Meister verspielt und macht sich ins Wasser und ist ein Fisch. Da wird der Junge auch ein Fisch, und sie beißen sich wieder, daß der Meister verspielen muß. Da verwandelt sich der Meister in ein Huhn, und der Junge wird ein Fuchs und beißt dem Meister den Kopf ab; da ist er gestorben und liegt tot bis auf den heutigen Tag.
Diese Folge wird Ihnen von Podbean.com zur Verfügung gestellt.
Monday Aug 12, 2024
Monday Aug 12, 2024
Es war einmal ein Königssohn, der hatte eine Braut und hatte sie sehr lieb. Als er nun bei ihr saß und ganz vergnügt war, da kam die Nachricht, daß sein Vater todkrank läge und ihn noch vor seinem Ende zu sehen verlangte. Da sprach er zu seiner Liebsten: "Ich muß nun fort und muß dich verlassen, da geb ich dir einen Ring zu meinem Andenken. Wann ich König bin, komm ich wieder und hol dich heim." Da ritt er fort, und als er bei seinem Vater anlangte, war dieser sterbens krank und dem Tode nah. Er sprach zu ihm: "Liebster Sohn, ich habe dich vor meinem Ende noch einmal sehen wollen, versprich mir, nach meinem Willen dich zu verheiraten," und nannte ihm eine gewisse Königstochter, die sollte seine Gemahlin werden. Der Sohn war so betrübt, daß er sich gar nicht bedachte, sondern sprach: "Ja, lieber Vater, was Euer Wille ist, soll geschehen," und darauf schloß der König die Augen und starb.
Als nun der Sohn zum König ausgerufen und die Trauerzeit verflossen war, mußte er das Versprechen halten, das er seinem Vater gegeben hatte, und ließ um die Königstochter werben, und sie ward ihm auch zugesagt. Das hörte seine erste Braut und grämte sich über die Untreue so sehr, daß sie fast verging. Da sprach ihr Vater zu ihr: "Liebstes Kind, warum bist du so traurig? Was du dir wünschest, das sollst du haben." Sie bedachte sich einen Augenblick, dann sprach sie: "Lieber Vater, ich wünsche mir elf Mädchen, von Angesicht, Gestalt und Wuchs mir völlig gleich." Sprach der König: "Wenns möglich ist, soll dein Wunsch erfüllt werden," und ließ in seinem ganzen Reich so lange suchen, bis elf Jungfrauen gefunden waren, seiner Tochter von Angesicht, Gestalt und Wuchs völlig gleich.
Als sie zu der Königstochter kamen, ließ diese zwölf Jägerkleider machen, eins wie das andere, und die elf Jungfrauen mußten die Jägerkleider anziehen, und sie selber zog das zwölfte an. Darauf nahm sie Abschied von ihrem Vater und ritt mit ihnen fort und ritt an den Hof ihres ehemaligen Bräutigams, den sie so sehr liebte. Da fragte sie an, ob er Jäger brauchte, und ob er sie nicht alle zusammen in seinen Dienst nehmen wollte. Der König sah sie an und erkannte sie nicht; weil es aber so schöne Leute waren, sprach er ja, er wollte sie gerne nehmen; und da waren sie die zwölf Jäger des Königs.
Der König aber hatte einen Löwen, das war ein wunderliches Tier, denn er wußte alles Verborgene und Heimliche. Es trug sich zu, daß er eines Abends zum König sprach: "Du meinst, du hättest da zwölf Jäger?" - "Ja," sagte der König, "zwölf Jäger sinds." Sprach der Löwe weiter: "Du irrst dich, das sind zwölf Mädchen." Antwortete der König: "Das ist nimmermehr wahr, wie willst du mir das beweisen?" - "O, laß nur Erbsen in dein Vorzimmer streuen," antwortete der Löwe, "da wirst dus gleich sehen. Männer haben einen festen Tritt, wenn die über Erbsen hingehen, regt sich keine, aber Mädchen, die trippeln und trappeln und schlurfeln, und die Erbsen rollen." Dem König gefiel der Rat wohl, und er ließ die Erbsen streuen.
Es war aber ein Diener des Königs, der war den Jägern gut, und wie er hörte, daß sie sollten auf die Probe gestellt werden, ging er hin und erzählte ihnen alles wieder und sprach: "Der Löwe will dem König weismachen, ihr wärt Mädchen." Da dankte ihm die Königstochter und sprach hernach zu ihren Jungfrauen: "Tut euch Gewalt an und tretet fest auf die Erbsen." Als nun der König am andern Morgen die zwölf Jäger zu sich rufen ließ, und sie ins Vorzimmer kamen, wo die Erbsen lagen, so traten sie so fest darauf und hatten einen so sichern starken Gang, daß auch nicht eine rollte oder sich bewegte. Da gingen sie wieder fort, und der König sprach zum Löwen: "Du hast mich belogen, sie gehen ja wie Männer." Antwortete der Löwe: "Sie habens gewußt, daß sie sollten auf die Probe gestellt werden, und haben sich Gewalt angetan. Laß nur einmal zwölf Spinnräder ins Vorzimmer bringen, so werden sie herzukommen und werden sich daran freuen, und das tut kein Mann." Dem König gefiel der Rat, und er ließ die Spinnräder ins Vorzimmer stellen.
Der Diener aber, ders redlich mit den Jägern meinte, ging hin und entdeckte ihnen den Anschlag. Da sprach die Königstochter, als sie allein waren, zu ihren elf Mädchen: "Tut euch Gewalt an und blickt euch nicht um nach den Spinnrädern." Wie nun der König am andern Morgen seine zwölf Jäger rufen ließ, so kamen sie durch das Vorzimmer und sahen die Spinnräder gar nicht an. Da sprach der König wiederum zum Löwen: "Du hast mich belogen, es sind Männer, denn sie haben die Spinnräder nicht angesehen." Der Löwe antwortete: "Sie habens gewußt, daß sie sollten auf die Probe gestellt werden, und haben sich Gewalt angetan." Der König aber wollte dem Löwen nicht mehr glauben.
Die zwölf Jäger folgten dem König beständig zur Jagd, und er hatte sie je länger je lieber. Nun geschah es, daß, als sie einmal auf der Jagd waren, Nachricht kam, die Braut des Königs wäre im Anzug. Wie die rechte Braut das hörte, tats ihr so weh, daß es ihr fast das Herz abstieß, und sie ohnmächtig auf die Erde fiel. Der König meinte, seinem lieben Jäger sei etwas begegnet, lief hinzu und wollte ihm helfen, und zog ihm den Handschuh aus. Da erblickte er den Ring, den er seiner ersten Braut gegeben, und als er ihr in das Gesicht sah, erkannte er sie. Da ward sein Herz so gerührt, daß er sie küßte, und als sie die Augen aufschlug, sprach er: "Du bist mein und ich bin dein, und kein Mensch auf der Welt kann das ändern." Zu der andern Braut aber schickte er einen Boten und ließ sie bitten, in ihr Reich zurückzukehren, denn er habe schon eine Gemahlin, und wer einen alten Schlüssel wiedergefunden habe, brauche den neuen nicht. Darauf ward die Hochzeit gefeiert, und der Löwe kam wieder in Gnade, weil er doch die Wahrheit gesagt hatte.
Diese Folge wird Ihnen von Podbean.com zur Verfügung gestellt.
Monday Aug 12, 2024
Monday Aug 12, 2024
Es war einmal eine Frau mit ihrer Tochter; die lebten in einem schönen Garten mit Kohl; dahin kam ein Häschen und fraß zur Winterzeit allen Kohl. Da sagte die Frau zur Tochter: "Geh in den Garten und jag' das Häschen!" Sagt das Mädchen zum Häschen: "Schu! schu! Du Häschen, frisst noch allen Kohl!" Sagt das Häschen: "Komm, Mädchen, und setz dich auf mein Hasenschwänzchen und komm mit in mein Hasenhüttchen!" Mädchen will nicht. Am andern Tag kommt's Häschen wieder und frisst den Kohl; da sagt die Frau zur Tochter: "Geh in den Garten und jag das Häschen!" Sagt das Mädchen zum Häschen: "Schul! Schu! Du Häschen, frisst noch allen Kohl!" Sagt das Häschen: "Komm, Mädchen, setz dich auf mein Hasenschwänzchen und komm mit mir in mein Hasenhüttchen." Mädchen will nicht. Am dritten Tag kommt's Häschen wieder und frisst den Kohl. Da sagt die Frau zur Tochter: "Geh in den Garten und jag das Häschen!" Sagt das Mädchen: "Schu! schu! Du Häschen, frisst noch allen Kohl!" Sagt das Häschen: "Komm, Mädchen, setz dich auf mein Hasenschwänzchen und komm mit mir in mein Hasenhüttchen!" Mädchen setzt sich auf das Hasenschwänzchen; da bracht' es das Häschen weit hinaus in sein Hüttchen und sagt: "Nun koch' Grünkohl und Hirse, ich will die Hochzeitsleute bitten." Da kamen alle Hochzeitsleute zusammen. Wer waren denn die Hochzeitsleute? Das kann ich dir sagen, wie es mir ein anderer erzählt hat: das waren alles Hasen, und die Krähe war als Pfarrer dabei, die Brautleute zu trauen, und der Fuchs als Küster, und der Altar war unterm Regenbogen.
Mädchen aber war traurig, da sie so alleine war. Kommt's Häschen und sagt: "Mach auf, mach auf, die Hochzeitsleute sind lustig!" Die Braut sagt nichts und weint. Häschen geht fort, Häschen kommt wieder und sagt: "Mach auf, mach auf, die Hochzeitsleute sind hungrig." Die Braut sagt wieder nichts und weint. Häschen geht fort; Häschen kommt wieder und sagt: "Mach auf, mach auf, die Hochzeitsleute warten." Da sagt die Braut nichts und Häschen geht fort; aber sie macht eine Puppe aus Stroh mit ihren Kleidern, und gibt ihr einen Rührlöffel, und setzt sie an den Kessel mit Hirse, und geht zur Mutter. Häschen kommt noch einmal und sagt: "Mach auf, mach auf," und macht auf und wirft der Puppe was an den Kopf, dass ihr die Haube abfällt.
Da sieht Häschen, dass es seine Braut nicht ist, und geht fort und ist traurig.
Diese Folge wird Ihnen von Podbean.com zur Verfügung gestellt.
Monday Aug 12, 2024
Monday Aug 12, 2024
Es war einmal ein König, der hatte eine Frau mit goldenen Haaren, und sie war so schön, daß sich ihresgleichen nicht mehr auf Erden fand. Es geschah, daß sie krank lag, und als fühlte sie bald, daß sie sterben würde, rief sie den König und sprach: "Wenn du nach meinem Tode dich wieder vermählen willst, so nimm keine, die nicht ebenso schön ist, als ich bin, und die nicht solche Haare hat, wie ich habe; das mußt du mir versprechen!" Nachdem es ihr der König versprochen hatte, tat sie die Augen zu und starb.
Der König war lange Zeit nicht zu trösten und dachte nicht daran, eine zweite Frau zu nehmen. Endlich sprachen seine Räte: "Es geht nicht anders, der König muß sich wieder vermählen, damit wir eine Königin haben." Nun wurden Boten weit und breit herumgeschickt, um eine Braut zu suchen, die an Schönheit der verstorbenen Königin ganz gleichkäme. Es war aber keine in der ganzen Welt zu finden, und wenn man sie auch gefunden hätte, so war doch keine da, die solche goldene Haare gehabt hätte. Also kamen die Boten unverrichteter Sache wieder heim.
Nun hatte der König eine Tochter, die war geradeso schön wie ihre verstorbene Mutter und hatte auch solche goldene Haare. Als sie herangewachsen war, sah sie der König einmal an und sah, daß sie in allem seiner verstorbenen Gemahlin ähnlich war, und fühlte plötzlich eine heftige Liebe zu ihr. Da sprach er zu seinen Räten: "Ich will meine Tochter heiraten, denn sie ist das Ebenbild meiner verstorbenen Frau, und sonst kann ich doch keine Braut finden, die ihr gleicht." Als die Räte das hörten, erschraken sie und sprachen: "Gott hat verboten, daß der Vater seine Tochter heirate, aus der Sünde kann nichts Gutes entspringen, und das Reich wird mit ins Verderben gezogen." Die Tochter erschrak noch mehr, als sie den Entschluß ihres Vaters vernahm, hoffte aber, ihn von seinem Vorhaben noch abzubringen. Da sagte sie zu ihm: "Eh ich Euren Wunsch erfülle, muß ich erst drei Kleider haben: eins so golden wie die Sonne, eins so silbern wie der Mond und eins so glänzend wie die Sterne; ferner verlange ich einen Mantel von tausenderlei Pelz und Rauchwerk zusammengesetzt, und ein jedes Tier in Eurem Reich muß ein Stück von seiner Haut dazu geben." Sie dachte aber: Das anzuschaffen ist ganz unmöglich, und ich bringe damit meinen Vater von seinen bösen Gedanken ab. Der König ließ aber nicht ab, und die geschicktesten Jungfrauen in seinem Reiche mußten die drei Kleider weben, eins so golden wie die Sonne, eins so silbern wie der Mond und eins so glänzend wie die Sterne, und seine Jäger mußten alle Tiere im ganzen Reiche auffangen und ihnen ein Stück von ihrer Haut abziehen; daraus ward ein Mantel aus tausenderlei Rauchwerk gemacht. Endlich, als alles fertig war, ließ der König den Mantel herbeiholen, breitete ihn vor ihr aus und sprach: "Morgen soll die Hochzeit sein!"
Als nun die Königstochter sah, daß keine Hoffnung mehr war, ihres Vaters Herz umzuwandeln, so faßte sie den Entschluß zu entfliehen. In der Nacht, während alles schlief, stand sie auf und nahm von ihren Kostbarkeiten dreierlei: einen goldenen Ring, ein goldenes Spinnrädchen und ein goldenes Haspelchen; die drei Kleider von Sonne, Mond und Sterne tat sie in eine Nußschale, zog den Mantel von allerlei Rauchwerk an und machte sich Gesicht und Hände mit Ruß schwarz. Dann befahl sie sich Gott und ging fort und ging die ganze Nacht, bis sie in einen großen Wald kam. Und weil sie müde war, setzte sie sich in einen hohlen Baum und schlief ein.
Die Sonne ging auf, und sie schlief fort und schlief noch immer, als es schon hoher Tag war. Da trug es sich zu, daß der König, dem dieser Wald gehörte, darin jagte. Als seine Hunde zu dem Baum kamen, schnupperten sie, liefen rings herum und bellten. Sprach der König zu den Jägern: "Seht nach, was dort für ein Wild sich versteckt hat." Die Jäger folgten dem Befehl, und als sie wiederkamen, sprachen sie: "In dem hohlen Baum liegt ein wunderliches Tier, wie wir noch niemals eins gesehen haben; an seiner Haut ist tausenderlei Pelz; es liegt aber und schläft." Sprach der König "Seht zu, ob ihr's lebendig fangen könnt, dann bindet's auf den Wagen und nehmt's mit." Als die Jäger das Mädchen anfaßten, erwachte es voll Schrecken und rief ihnen zu "Ich bin ein armes Kind, von Vater und Mutter verlassen, erbarmt euch mein und nehmt mich mit!" Da sprachen sie: Allerleirauh, du bist gut für die Küche, komm nur mit, da kannst du die Asche zusammenkehren." Also setzten sie es auf den Wagen und fuhren heim in das königliche Schloß. Dort wiesen sie ihm ein Ställchen an unter der Treppe, wo kein Tageslicht hinkam, und sagten: "Rauhtierchen, da kannst du wohnen und schlafen." Dann ward es in die Küche geschickt, da trug es Holz und Wasser, schürte das Feuer, rupfte das Federvieh, belas das Gemüs', kehrte die Asche und tat alle schlechte Arbeit.
Da lebte Allerleirauh lange Zeit recht armselig. Ach, du schöne Königstochter, wie soll's mit dir noch werden! Es geschah aber einmal, daß ein Fest im Schloß gefeiert ward, da sprach sie zum Koch: "Darf ich ein wenig hinaufgehen und zusehen? Ich will mich außen vor die Türe stellen." Antwortete der Koch: "Ja, geh nur hin, aber in einer halben Stunde mußt du wieder hier sein und die Asche zusammentragen!" Da nahm sie ihr Öllämpchen, ging in ihr Ställchen, zog den Pelzrock aus und wusch sich den Ruß von dem Gesicht und den Händen ab, so daß ihre volle Schönheit wieder an den Tag kam. Dann machte sie die Nuß auf und holte ihr Kleid hervor, das wie die Sonne glänzte. Und wie das geschehen war, ging sie hinauf zum Fest, und alle traten ihr aus dem Weg, denn niemand kannte sie, und meinten nicht anders, als daß es eine Königstochter wäre. Der König aber kam ihr entgegen, reichte ihr die Hand und tanzte mit ihr und dachte in seinem Herzen: So schön haben meine Augen noch keine gesehen. Als der Tanz zu Ende war, verneigte sie sich, und wie sich der König umsah, war sie verschwunden, und niemand wußte wohin. Die Wächter, die vor dem Schlosse standen, wurden gerufen und ausgefragt, aber niemand hatte sie erblickt.
Sie war aber in ihr Ställchen gelaufen, hatte geschwind ihr Kleid ausgezogen, Gesicht und Hände schwarz gemacht und den Pelzmantel umgetan und war wieder Allerleirauh. Als sie nun in die Küche kam und an ihre Arbeit gehen und die Asche zusammenkehren wollte, sprach der Koch: "Laß das gut sein bis morgen und koche mir da die Suppe für den König, ich will auch einmal ein bißchen oben zugucken, aber laß mir kein Haar hineinfallen, sonst kriegst du in Zukunft nichts mehr zu essen!" Da ging der Koch fort, und Allerleirauh kochte die Suppe für den König und kochte eine Brotsuppe, so gut es konnte, und wie sie fertig war, holte es in dem Ställchen seinen goldenen Ring und legte ihn in die Schüssel, in welche die Suppe angerichtet ward. Als der Tanz zu Ende war, ließ sich der König die Suppe bringen und aß sie, und sie schmeckte ihm so gut, daß er meinte, niemals eine bessere Suppe gegessen zu haben. Wie er aber auf den Grund kam, sah er da einen goldenen Ring liegen und konnte nicht begreifen, wie er dahingeraten war. Da befahl er, der Koch sollte vor ihn kommen. Der Koch erschrak, wie er den Befehl hörte, und sprach zum Allerleirauh: "Gewiß hast du ein Haar in die Suppe fallen lassen; wenn's wahr ist, so kriegst du Schläge!" Als er vor den König kam, fragte dieser, wer die Suppe gekocht hätte. Antwortete der Koch: "Ich habe sie gekocht." Der König sprach: "Das ist nicht wahr, denn sie war auf andere Art und viel besser gekocht als sonst." Antwortete er: "Ich muß gestehen, daß ich sie nicht gekocht habe, sondern das Rauhtierchen." Sprach der König: "Geh und laß es heraufkommen."
Als Allerleirauh kam, fragte der König: "Wer bist du?" "Ich bin ein armes Kind, das keinen Vater und Mutter mehr hat." Fragte er weiter: "Wozu bist du in meinem Schloß?" Antwortete es: "Ich bin zu nichts gut, als daß mir die Stiefel um den Kopf geworfen werden." Fragte er weiter: "Wo hast du den Ring her, der in der Suppe war?" Antwortete es: "Von dem Ring weiß ich nichts." Also konnte der König nichts erfahren und mußte es wieder fortschicken.
Über eine Zeit war wieder ein Fest, da bat Allerleirauh den Koch wie vorigesmal um Erlaubnis, zusehen zu dürfen. Antwortete er: "Ja, aber komm in einer halben Stunde wieder und koch dem König die Brotsuppe, die er so gerne ißt." Da lief es in sein Ställchen, wusch sich geschwind und nahm aus der Nuß das Kleid, das so silbern war wie der Mond, und tat es an. Da ging sie hinauf und glich einer Königstochter, und der König trat ihr entgegen und freute sich, daß er sie wiedersah, und weil eben der Tanz anhub, so tanzten sie zusammen. Als aber der Tanz zu Ende war, verschwand sie wieder so schnell, daß der König nicht bemerken konnte, wo sie hinging. Sie sprang aber in ihr Ställchen und machte sich wieder zum Rauhtierchen und ging in die Küche, die Brotsuppe zu kochen. Als der Koch oben war, holte es das goldene Spinnrad und tat es in die Schüssel, so daß die Suppe darüber angerichtet wurde. Danach ward sie dem König gebracht, der aß sie und sie schmeckte ihm so gut wie das vorigemal, und ließ den Koch kommen, der mußte auch diesmal gestehen, daß Allerleirauh die Suppe gekocht hätte. Allerleirauh kam da wieder vor den König, aber sie antwortete, daß sie nur dazu wäre, daß ihr die Stiefel an den Kopf geworfen würden und daß sie von dem goldenen Spinnrädchen gar nichts wüßte
Als der König zum drittenmal ein Fest anstellte, da ging es nicht anders als die vorigen Male. Der Koch sprach zwar: "Du bist eine Hexe, Rauhtierchen, und tust immer was in die Suppe, davon sie so gut wird und dem König besser schmeckt als was ich koche." Doch weil sie so bat, so ließ er es auf die bestimmte Zeit hingehen. Nun zog es ein Kleid an, das wie die Sterne glänzte, und trat damit in den Saal. Der König tanzte wieder mit der schönen Jungfrau und meinte, daß sie noch niemals so schön gewesen wäre. Und während er tanzte, steckte er ihr, ohne daß sie es merkte, einen goldenen Ring an den Finger und hatte befohlen, daß der Tanz recht lang währen sollte. Wie er zu Ende war, wollte er sie an den Händen festhalten, aber sie riß sich los und sprang so geschwind unter die Leute, daß sie vor seinen Augen verschwand. Sie lief, was sie konnte, in ihr Ställchen unter der Treppe, weil sie aber zu lange und über eine halbe Stunde geblieben war, so konnte sie das schöne Kleid nicht ausziehen, sondern warf nur den Mantel von Pelz darüber, und in der Eile machte sie sich auch nicht ganz rußig, sondern ein Finger blieb weiß. Allerleirauh lief nun in die Küche kochte dem König die Brotsuppe und legte, wie der Koch fort war, den goldenen Haspel hinein. Der König, als er den Haspel auf dem Grunde fand, ließ Allerleirauh rufen, da erblickte er den weißen Finger und sah den Ring, den er im Tanze ihr angesteckt hatte. Da ergriff er sie an der Hand und hielt sie fest, und als sie sich losmachen und fortspringen wollte, tat sich der Pelzmantel ein wenig auf, und das Sternenkleid schimmerte hervor. Der König faßte den Mantel und riß ihn ab. Da kamen die goldenen Haare hervor, und sie stand da in voller Pracht und konnte sich nicht länger verbergen. Und als sie Ruß und Asche aus ihrem Gesicht gewischt hatte, da war sie schöner, als man noch jemand auf Erden gesehen hat. Der König aber sprach: "Du bist meine liebe Braut, und wir scheiden nimmermehr voneinander!" Darauf ward die Hochzeit gefeiert, und sie lebten vergnügt bis zu ihrem Tod.
Diese Folge wird Ihnen von Podbean.com zur Verfügung gestellt.
Monday Aug 12, 2024
Monday Aug 12, 2024
Es war ein Mann, der hatte drei Söhne, davon hieß der jüngste der Dummling und wurde verachtet und verspottet und bei jeder Gelegenheit zurückgesetzt. Es geschah, daß der älteste in den Wald gehen wollte, Holz hauen, und eh' er ging, gab ihm noch seine Mutter einen schönen feinen Eierkuchen und eine Flasche Wein mit, damit er nicht Hunger und Durst litte. Als er in den Wald kam, begegnete ihm ein altes, graues Männlein, das bot ihm einen guten Tag und sprach: "Gib mir doch ein Stück Kuchen aus deiner Tasche und laß mich einen Schluck von deinem Wein trinken! Ich bin so hungrig und durstig." Der kluge Sohn aber antwortete: "Geb ich dir meinen Kuchen und meinen Wein, so hab ich selber nichts, pack dich deiner Wege!" ließ das Männlein stehen und ging fort. Als er nun anfing, einen Baum zu behauen, dauerte es nicht lange, so hieb er fehl, und die Axt fuhr ihm in den Arm, daß er mußte heimgehen und sich verbinden lassen. Das war aber von dem grauen Männchen gekommen.
Darauf ging der zweite Sohn in den Wald, und die Mutter gab ihm, wie dem ältesten, einen Eierkuchen und eine Flasche Wein. Dem begegnete gleichfalls das alte, graue Männchen und hielt um ein Stückchen Kuchen und einen Trunk Wein an. Aber der zweite Sohn sprach auch ganz verständig: "Was ich dir gebe, das geht mir selber ab, pack dich deiner Wege!" ließ das Männlein stehen und ging fort. Die Strafe blieb nicht aus, als er ein paar Hiebe am Baum getan, hieb er sich ins Bein, daß er mußte nach Haus getragen werden.
Da sagte der Dummling: "Vater, laß mich einmal hinausgehen und Holz hauen!" Antwortete der Vater: "Deine Brüder haben sich Schaden dabei getan, laß dich davon, du verstehst nichts davon." Der Dummling aber bat so lange, bis er endlich sagte: "Geh nur hin, durch Schaden wirst du klug werden." Die Mutter gab ihm einen Kuchen, der war mit Wasser in der Asche gebacken, und dazu eine Flasche saures Bier. Als er in den Wald kam, begegnete ihm gleichfalls das alte, graue Männchen, grüßte ihn und sprach: "Gib mir ein Stück von deinem Kuchen und einen Trunk aus deiner Flasche, ich bin so hungrig und durstig." Antwortet der Dummling: " Ich habe nur Aschenkuchen und saures Bier, wenn dir das recht ist, so wollen wir uns setzen und essen." Da setzten sie sich, und als der Dummling seinen Aschenkuchen herausholte, so war's ein feiner Eierkuchen, und das saure Bier war ein guter Wein. Nun aßen und tranken sie, und danach sprach das Männlein: "Weil du ein gutes Herz hast und von dem deinigen gerne mitteilst, so will ich dir Glück bescheren. Dort steht ein alter Baum, den hau ab, so wirst du in den Wurzeln etwas finden." Darauf nahm das Männlein Abschied.
Der Dummling ging hin und hieb den Baum um, und wie er fiel, saß in den Wurzeln eine Gans, die hatte Federn von reinem Gold. Er hob sie heraus, nahm sie mit sich und ging in ein Wirtshaus, da wollte er übernachten. Der Wirt hatte aber drei Töchter, die sahen die Gans, waren neugierig, was das für ein wunderlicher Vogel wäre, und hätten gar gern eine von seinen goldenen Federn gehabt. Die älteste dachte: Es wird sich schon eine Gelegenheit finden, wo ich mir eine Feder ausziehen kann. Und als der Dummling einmal hinaus gegangen war, faßte sie die Gans beim Flügel aber Finger und Hand blieben ihr daran fest hängen. Bald hernach kam die zweite und hatte keinen andern Gedanken, als sich eine goldene Feder zu holen, kaum aber hatte sie ihre Schwester angerührt, so blieb sie fest hängen. Endlich kam auch die dritte in der gleichen Absicht. Da schrien die andern: "Bleib weg, um Himmels Willen bleib weg!" Aber sie begriff nicht, warum sie wegbleiben sollte, dachte: Sind die dabei so kann ich auch dabeisein und sprang hinzu, und wie sie ihre Schwester angerührt hatte, so blieb sie an ihr hängen. So mußten sie die Nacht bei der Ganz zubringen.
Am anderen Morgen nahm der Dummling die Gans in den Arm ging fort und kümmerte sich nicht um die drei Mädchen, die daran hingen. Sie mußten immer hinter im dreinlaufen, links und rechts, wie's ihm in die Beine kam. Mitten auf dem Felde begegnete ihnen der Pfarrer, und als er den Aufzug sah, sprach er: "Schämt euch, ihr garstigen Mädchen, was lauft ihr dem jungen Bursch durchs Feld nach, schickt sich das?" Damit faßte er die jüngste an der Hand und wollte sie zurückziehen, wie er sie aber anrührte, blieb er gleichfalls hängen und mußte selber hinterdreinlaufen. Nicht lange, so kam der Küster daher und sah den Herrn Pfarrer, der drei Mädchen auf dem Fuß folgte. Da verwunderte er sich und rief: "Ei, Herr Pfarrer, wohinaus so geschwind? vergeßt nicht, daß wir heute noch eine Kindtaufe haben." Lief auf ihn zu und faßte ihn am Ärmel, blieb aber auch fest hängen. Wie die fünf so hintereinander hertrabten, kamen zwei Bauern mit ihren Hacken vom Felde. Da rief der Pfarrer sie an und bat, sie möchten ihn und den Küster losmachen. Kaum aber hatten sie den Küster angerührt, so blieben sie hängen, und waren ihrer nun siebene, die dem Dummling mit der Gans nachliefen.
Er kam darauf in eine Stadt; da herrschte ein König, der hatte eine Tochter, die war so ernsthaft, daß sie niemand zum Lachen bringen konnte. Darum hatte er ein Gesetz gegeben, wer sie könnte zum Lachen bringen, der sollte sie heiraten. Der Dummling, als er das hörte, ging mit seiner Gans und ihrem Anhang vor die Königstochter, und als diese die sieben Menschen immer hintereinander herlaufen sah, fing sie überlaut an zu lachen und wollte gar nicht wieder aufhören.
Da verlangte sie der Dummling zur Braut, aber dem König gefiel der Schwiegersohn nicht, er machte allerlei Einwendungen und sagte, er müßte ihm erst einen Mann bringen, der einen Keller voll Wein austrinken könne. Der Dummling dachte an das graue Männchen, das könnte ihm wohl helfen, ging hinaus in den Wald, und auf der Stelle, wo er den Baum abgehauen hatte, sah er einen Mann sitzen, der machte ein ganz betrübtes Gesicht. Der Dummling fragte, was er sich so sehr zu Herzen nähme. Da antwortete er: "Ich habe so großen Durst und kann ihn nicht löschen, das kalte Wasser vertrage ich nicht, ein Faß Wein habe ich zwar ausgeleert, aber was ist ein Tropfen auf einen heißen Stein?" - "Da kann ich dir helfen," sagte der Dummling, "komm nur mit mir, du sollst satt haben!" Er führte ihn darauf in des Königs Keller, und der Mann machte sich über die großen Fässer, trank und trank, daß ihm die Hüften weh taten, und ehe ein Tag herum war, hatte er den ganzen Keller ausgetrunken.
Der Dummling verlangte abermals seine Braut, der König aber ärgerte sich, daß ein schlechter Bursch, den jedermann einen Dummling nannte, seine Tochter davontragen sollte, und machte neue Bedingungen: Er müßte erst einen Mann schaffen, der einen Berg voll Brot aufessen könnte. Der Dummling besann sich nicht lange, sondern ging gleich hinaus in den Wald. Da saß auf demselben Platz ein Mann, der schnürte sich den Leib mit einem Riemen zusammen, machte ein grämliches Gesicht und sagte: "Ich habe einen ganzen Backofen voll Raspelbrot gegessen, aber was hilft das, wenn man so großen Hunger hat wie ich. Mein Magen bleibt leer, und ich muß ihn zuschnüren, wenn ich nicht Hungers sterben soll." Der Dummling war froh darüber und sprach: "Mach dich auf und geh mit mir, du sollst dich satt essen!" Er führte ihn an den Hof des Königs, der hatte alles Mehl aus dem ganzen Reich zusammenfahren und einen ungeheuren Berg davon bauen lassen; der Mann aber aus dem Walde stellte sich davor, fing an zu essen, und in einem Tag war der ganze Berg verschwunden. Der Dummling forderte zum drittenmal seine Braut. Der König aber suchte noch einmal Ausflucht und verlangte ein Schiff, das zu Land und zu Wasser fahren könnt. "Sowie du aber damit angesegelt kommst," sagte er, "sollst du gleich meine Tochter zur Gemahlin haben." Der Dummling ging geraden Weges in den Wald, da saß das alte, graue Männchen, dem er seinen Kuchen gegeben hatte, und sagte: "Ich habe für dich getrunken und gegessen, ich will dir auch das Schiff geben; das alles tu ich, weil du barmherzig gegen mich gewesen bist" Da gab er ihm das Schiff, das zu Land und zu Wasser fuhr, und als der König das sah, konnte er ihm seine Tochter nicht länger vorenthalten.
Die Hochzeit ward gefeiert; nach des Königs Tod erbte der Dummling das Reich und lebte lange Zeit vergnügt mit seiner Gemahlin.
Diese Folge wird Ihnen von Podbean.com zur Verfügung gestellt.
Monday Aug 12, 2024
Monday Aug 12, 2024
Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne, davon waren zwei klug und gescheit, aber der dritte sprach nicht viel, war einfältig und hieß nur der Dummling. Als der König alt und schwach ward und an sein Ende dachte, wußte er nicht, welcher von seinen Söhnen nach ihm das Reich erben sollte. Da sprach er zu ihnen: "Zieht aus, und wer mir den feinsten Teppich bringt, der soll nach meinem Tod König sein." Und damit es keinen Streit unter ihnen gab, führte er sie vor sein Schloß, blies drei Federn in die Luft und sprach: "Wie die fliegen, so sollt ihr ziehen." Die eine Feder flog nach Osten, die andere nach Westen, die dritte flog aber geradeaus, und flog nicht weit, sondern fiel bald zur Erde. Nun ging der eine Bruder rechts, der andere ging links, und sie lachten den Dummling aus, der bei der dritten Feder, da, wo sie niedergefallen war, bleiben mußte.
Der Dummling setzte sich nieder und war traurig. Da bemerkte er auf einmal, daß neben der Feder eine Falltüre lag. Er hob sie in die Höhe, fand eine Treppe und stieg hinab. Da kam er vor eine andere Türe, klopfte an und hörte, wie es inwendig rief:
"Jungfer grün und klein,Hutzelbein,Hutzelbeins Hündchen,Hutzel hin und her,laß geschwind sehen, wer draußen wär."
Die Türe tat sich auf, und er sah eine große dicke Itsche (Kröte) sitzen und rings um sie eine Menge kleiner Itschen. Die dicke Itsche fragte, was sein Begehren wäre. Er antwortete: "Ich hätte gerne den schönsten und feinsten Teppich." Da rief sie eine junge und sprach:
"Jungfer grün und klein,Hutzelbein,Hurzelbeins Hündchen,Hutzel hin und her,bring mir die große Schachtel her."
Die junge Itsche holte die Schachtel, und die dicke Itsche machte sie auf und gab dem Dummling einen Teppich daraus, so schön und so fein, wie oben auf der Erde keiner konnte gewebt werden. Da dankte er ihr und stieg wieder hinauf.
Die beiden andern hatten aber ihren jüngsten Bruder für so albern gehalten, daß sie glaubten, er würde gar nichts finden und aufbringen. "Was sollen wir uns mit Suchen groß Mühe geben," sprachen sie, nahmen dem ersten besten Schäfersweib, das ihnen begegnete, die groben Tücher vom Leib und trugen sie dem König heim. Zu derselben Zeit kam auch der Dummling zurück und brachte seinen schönen Teppich, und als der König den sah, staunte er und sprach: "Wenn es dem Recht nach gehen soll, so gehört dem jüngsten das Königreich." Aber die zwei andern ließen dem Vater keine Ruhe und sprachen, unmöglich könnte der Dummling, dem es in allen Dingen an Verstand fehlte, König werden, und baten ihn, er möchte eine neue Bedingung machen. Da sagte der Vater: "Der soll das Reich erben, der mir den schönsten Ring bringt," führte die drei Brüder hinaus, und blies drei Federn in die Luft, denen sie nachgehen sollten. Die zwei ältesten zogen wieder nach Osten und Westen, und für den Dummling flog die Feder geradeaus und fiel neben der Erdtüre nieder. Da stieg er wieder hinab zu der dicken Itsche und sagte ihr, daß er den schönsten Ring brauchte. Sie ließ sich gleich ihre große Schachtel holen, und gab ihm daraus einen Ring, der glänzte von Edelsteinen und war so schön, daß ihn kein Goldschmied auf der Erde hätte machen können. Die zwei ältesten lachten über den Dummling, der einen goldenen Ring suchen wollte, gaben sich gar keine Mühe, sondern schlugen einem alten Wagenring die Nägel aus und brachten ihn dem König. Als aber der Dummling seinen goldenen Ring vorzeigte, so sprach der Vater abermals: "Ihm gehört das Reich." Die zwei ältesten ließen nicht ab, den König zu quälen, bis er noch eine dritte Bedingung machte und den Ausspruch tat, der sollte das Reich haben, der die schönste Frau heimbrächte. Die drei Federn blies er nochmals in die Luft, und sie flogen wie die vorigemale.
Da ging der Dummling ohne weiteres hinab zu der dicken Itsche und sprach: "Ich soll die schönste Frau heimbringen." - "Ei," antwortete die Itsche, "die schönste Frau! die ist nicht gleich zur Hand, aber du sollst sie doch haben." Sie gab ihm eine ausgehöhlte gelbe Rübe mit sechs Mäuschen bespannt. Da sprach der Dummling ganz traurig: "Was soll ich damit anfangen?" Die Itsche antwortete: "Setze nur eine von meinen kleinen Itschen hinein." Da griff er auf Geratewohl eine aus dem Kreis und setzte sie in die gelbe Kutsche, aber kaum saß sie darin, so ward sie zu einem wunderschönen Fräulein, die Rübe zur Kutsche, und die sechs Mäuschen zu Pferden. Da küßte er sie, jagte mit den Pferden davon und brachte sie zu dem König. Seine Brüder kamen nach, die hatten sich gar keine Mühe gegeben, eine schöne Frau zu suchen, sondern die ersten besten Bauernweiber mitgenommen. Als der König sie erblickte, sprach er: "Dem jüngsten gehört das Reich nach meinem Tod." Aber die zwei ältesten betäubten die Ohren des Königs aufs neue mit ihrem Geschrei: "Wir könnens nicht zugeben, daß der Dummling König wird," und verlangten, der sollte den Vorzug haben, dessen Frau durch einen Ring springen könnte, der da mitten in dem Saal hing. Sie dachten: "Die Bauernweiber können das wohl, die sind stark genug, aber das zarte Fräulein springt sich tot." Der alte König gab das auch noch zu. Da sprangen die zwei Bauernweiber, sprangen auch durch den Ring, waren aber so plump, daß sie fielen und ihre groben Arme und Beine entzweibrachen. Darauf sprang das schöne Fräulein, das der Dummling mitgebracht hatte, und sprang so leicht hindurch wie ein Reh, und aller Widerspruch mußte aufhören. Also erhielt er die Krone und hat lange in Weisheit geherrscht.
Diese Folge wird Ihnen von Podbean.com zur Verfügung gestellt.
Monday Aug 12, 2024
Monday Aug 12, 2024
Zwei Königssöhne gingen einmal auf Abenteuer und gerieten in ein wildes, wüstes Leben, so daß sie gar nicht wieder nach Haus kamen. Der jüngste, welcher der Dummling hieß, machte sich auf und suchte seine Brüder. Aber wie er sie endlich fand, verspotteten sie ihn, daß er mit seiner Einfalt sich durch die Welt schlagen wollte, und sie zwei könnten nicht durchkommen und wären doch viel klüger.
Sie zogen alle drei miteinander fort und kamen an einen Ameisenhaufen. Die zwei ältesten wollten ihn aufwühlen und sehen, wie die kleinen Ameisen in der Angst herumkröchen und ihre Eier forttrügen, aber der Dummling sagte: "Laßt die Tiere in Frieden, ich leid's nicht, daß ihr sie stört!"
Da gingen sie weiter und kamen an einen See, auf dem schwammen viele, viele Enten. Die zwei Brüder wollten ein paar fangen und braten, aber der Dummling ließ es nicht zu und sprach: "Laßt die Tiere in Frieden, ich leid's nicht, daß ihr sie tötet!"
Endlich kamen sie an ein Bienennest, darin war so viel Honig, daß er am Stamm herunterlief. Die zwei wollten Feuer unter den Baum legen und die Bienen ersticken, damit sie den Honig wegnehmen könnten. Der Dummling hielt sie aber wieder ab und sprach: "Laßt die Tiere in Frieden, ich leid's nicht, daß ihr sie verbrennt!"
Endlich kamen die drei Brüder in ein Schloß, wo in den Ställen lauter steinerne Pferde standen, auch war kein Mensch zu sehen, und sie gingen durch alle Ställe, bis sie vor eine Türe ganz am Ende kamen, davor hingen drei Schlösser; es war aber mitten in der Türe ein Lädlein, dadurch konnte man in die Stube sehen. Da sahen sie ein graues Männchen, das an einem Tisch saß. Sie riefen es an, einmal, zweimal, aber es hörte nicht. Endlich riefen sie zum drittenmal; da stand es auf, öffnete die Schlösser und kam heraus. Es sprach aber kein Wort, sondern führte sie zu einem reichbesetzten Tisch; und als sie gegessen und getrunken hatten, brachte es einen jeglichen in sein eigenes Schlafgemach.
Am andern Morgen kam das graue Männchen zu dem ältesten, winkte und leitete ihn zu einer steinernen Tafel, darauf standen drei Aufgaben geschrieben, wodurch das Schloß erlöst werden könnte. Die erste war: In dem Wald unter dem Moos lagen die Perlen der Königstochter, tausend an der Zahl; die mußten aufgesucht werden, und wenn vor Sonnenuntergang noch eine einzige fehlte, so ward der, welcher gesucht hatte, zu Stein. Der älteste ging hin und suchte den ganzen Tag, als aber der Tag zu Ende war, hatte er erst hundert gefunden; es geschah, wie auf der Tafel stand: Er ward in Stein verwandelt. Am folgenden Tage unternahm der zweite Bruder das Abenteuer; es ging ihm aber nicht viel besser als dem ältesten, er fand nicht mehr als zweihundert Perlen und ward zu Stein. Endlich kam auch an den Dummling die Reihe, der suchte im Moos; es war aber so schwer, die Perlen zu finden, und ging so langsam. Da setzte er sich auf einen Stein und weinte. Und wie er so saß, kam der Ameisenkönig, dem er einmal das Leben erhalten hatte, mit fünftausend Ameisen, und es währte gar nicht lange, so hatten die kleinen Tiere die Perlen miteinander gefunden und auf einen Haufen getragen.
Die zweite Aufgabe aber war, den Schlüssel zu der Schlafkammer der Königstochter aus dem See zu holen. Wie der Dummling zum See kam, schwammen die Enten, die er einmal gerettet hatte, heran, tauchten unter und holten den Schlüssel aus der Tiefe.
Die dritte Aufgabe aber war die schwerste: Von den drei schlafenden Töchtern des Königs sollte die jüngste und die liebste herausgesucht werden. Sie glichen sich aber vollkommen und waren durch nichts verschieden, als daß sie, bevor sie eingeschlafen waren, verschiedene Süßigkeiten gegessen hatten, die älteste ein Stück Zucker, die zweite ein wenig Sirup, die jüngste einen Löffel Honig. Da kam die Bienenkonigin von den Bienen, die der Dummling vor dem Feuer geschützt hatte, und versuchte den Mund von allen dreien, zuletzt blieb sie auf dem Mund sitzen, der Honig gegessen hatte, und so erkannte der Königssohn die Rechte.
Da war der Zauber vorbei, alles war aus dem Schlaf erlöst, und wer von Stein war, erhielt seine menschliche Gestalt wieder. Und der Dummling vermählte sich mit der jüngsten und liebsten und ward König nach ihres Vaters Tod, seine zwei Bruder aber erhielten die beiden andern Schwestern.
Diese Folge wird Ihnen von Podbean.com zur Verfügung gestellt.